Tod in Kreuzberg
schleusen sie die EU-Knete als Immobilieneinnahmen in den Kreislauf. Die einen machen Miese, die anderen Gewinn, wo er nicht so stark besteuert wird, und am Ende blickt keiner mehr durch bei diesen Transaktionen durch halb Europa.«
»Wie viel Geld?«, fragte Twiggy.
»Ach, für uns würde es ein paar Jahre reichen. Rosi hat eine kleine Aufstellung gemacht und schätzt, dass es mindestens sechshundertsiebenundsechzig Millionen Euro in den letzten drei Jahren sind.«
Twiggy pfiff leise. »Wie funktioniert es?«
»Ganz einfach, wenn man Rosi folgt. Die angeblichen Landwirtschaftsbetriebe greifen die EU-Knete ab, dann schreiben Kolding-Filialen in Sofia oder Bukarest ein paar Scheinrechnungen, das Geld wird überwiesen, die Kolding-Filialen in Bulgarien und Rumänien kriegen ihrerseits Rechnungen von der Zentrale oder anderen Filialen und so weiter und so fort. Mit ein bisschen Schmiergeld klappt das locker. Nicht umsonst stehen Bulgarien und Rumänien auf Spitzenplätzen des Korruptionsrankings. Die EU ist doch eine segensreiche Einrichtung«, sagte Dornröschen bitter.
»Und Rosis Mörder war ein Rumäne, das ist kein Zufall«, sagte Twiggy.
»Wo hat sie das Material her?«, fragte Matti. »Vielleicht ist sie da ja auch reingelegt worden.«
»Nein«, widersprach Dornröschen. »Das glaube ich nicht. Kolding hat sie mit der Tanzmarie -Geschichte als Journalistin unglaubwürdig gemacht und wegen der Ini …«
»Das ist denen auch gelungen«, sagte Matti. »Und dann haben sie von der EU-Sache erfahren und die Panik gekriegt. Da fliegt nämlich der ganze Konzern in die Luft, wenn das rauskommt.«
Twiggy lockte Robbi mit dem Finger. »Und der Frau Weinert haben sie einen angeblichen Penner geschickt, um die Spuren zu verwischen. Aber der Penner hat die Akten nicht gefunden. Vielleicht fühlte er sich gestört, als die Schwester von Frau Weinert kam. Mit der hat er nicht gerechnet.«
»Zu Frau Weinert hat der Typ nichts gesagt wegen des Beerdigungstermins«, erklärte Dornröschen. »Das ist wahrscheinlich eine dumme Idee. Aber einen Typen zum Penner zu machen, das ist die Preislage des Chefs.«
»Also, ich fasse zusammen«, erklärte Matti. Dornröschen und Twiggy taten so, als würden sie strammsitzen. Twiggy legte die flache Hand an eine eingebildete Mütze.
»Erstens: Jemand hat versucht, Rosi reinzulegen, und uns auch aufs Glatteis geführt. Das ist die Tanzmarie -Geschichte. Zweitens: Rosi wollte die angebliche Korruption von Rademacher und Spiel enthüllen. Drittens: Sie hatte aber noch etwas anderes gefunden, nämlich die Subventionsabzocke von Kolding, Haupttatort Rumänien. Viertens: Rosis Mörder war ein Rumäne.« Dornröschen gestikulierte, aber Matti drohte mit der Faust, woraufhin Dornröschen so tat, als bekäme sie Angst. »Fünftens: Rosi wurde wegen der EU-Abzocke ermordet.«
»Halt«, sagte Twiggy. »Sie wurde ermordet, bevor sie die angebliche Bestechung von Rademacher und Spiel in der Stadtteilzeitung enthüllt hatte.«
»Und das bedeutet, dass Kolding vielleicht gar nichts mit dem Mord zu tun hat. Die hätten doch sonst erst mal gewartet, was passiert, wenn Rosi aufgelaufen ist wegen der Tanzmarie -Geschichte. Ob die Miesmacherei ausgereicht hätte, zum Beispiel, weil niemand mehr Rosi geglaubt hätte. Eine Verschwörungsspinnerin, und jetzt kommt sie mit einer neuen Geschichte. Und was für einer Wahnsinnsstory. Halb Europa, ein internationaler Konzern, riesige Transaktionen, jetzt dreht sie völlig durch.« Dornröschen kratzte sich am Kopf. »Wir hätten die Geschichte nicht gedruckt, das gebe ich zu. Sie hätte uns mit der ersten Geschichte in eine Krise gestürzt, und der Chef hätte sich einen abgelacht.«
»Die zehntausend Euro hat sie bestimmt genommen, um die aufwendige Recherche zu bezahlen«, sagte Twiggy. »Ich kann das verstehen, da ist man an einer Riesensache dran, aber hat kein Geld. Und weil sie keine richtige Journalistin war, sondern Platten-Rosi, hätte ihr keine Zeitung einen Vorschuss gegeben …«
»Wir hätten es gar nicht gekonnt«, warf Dornröschen ein.
»Aber sie hat nicht gewusst, dass die Knete von Kolding kommt, um sie endgültig fertigzumachen. Rosi wusste gar nicht, dass die sie völlig in der Hand hatten«, sagte Matti.
»Und wenn das so ist, warum sollten sie Rosi umbringen?«, fragte Twiggy ein wenig entgeistert. »Sie starb, bevor sie den Artikel mit den vermeintlichen Enthüllungen veröffentlichen konnte. Der Chef aber hätte gewartet, ob sein
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