Tod in Kreuzberg
Spielchen aufgeht, bevor er einen Killer schickt.«
»Sechstens«, sagte Matti mit herrischer Stimme, »sechstens hätte Kolding Rosi nicht umbringen lassen, bevor die sie reingelegt hätten. Der Mord hat den eigenen Plan durchkreuzt. Warum sich solche Mühe machen, wenn man dann doch den Killer schickt?«
»Das ist doch nicht sechstens, sondern gehört zu fünf, du Penner! Sechstens wäre: Die Koldings haben umdisponiert, weil ihnen das Spielchen mit Rademacher, Tanzmarie und Genossen zu riskant wurde«, sagte Twiggy.
»Kann sein«, erwiderte Dornröschen nachdenklich. »Aber das passt nicht zum Chef. Die Tatsache, dass Rosi mir den Artikel über die Tanzmarie geben wollte, zeigt doch, dass der Plan aufgegangen wäre. Und dann noch enthüllen, dass Rosi zehntausend Euro von Kolding genommen hat. Sie wäre erledigt gewesen bis zum Ende ihres Lebens.«
»Heißt siebtens: Kolding hat Rosi nicht umgebracht«, sagte Matti.
»Woher hat sie ihre Infos über die EU-Abzocke?«, fragte Dornröschen.
Matti griff nach der Mappe, die zwischen ihnen auf dem Tisch lag. »Sie hat hinter bestimmte Notizen immer wieder ein BQ gesetzt. Hinter anderen stehen Quellen, etwa aus dem Internet oder Zeitungen, auch Fachpublikationen. Sie hat sich da gründlich hineingearbeitet. Das Q steht wahrscheinlich für Quasten . Wahrscheinlich heißt die Dame Brigitte oder so.«
»Ach, du lieber Himmel, die Hexe«, sagte Twiggy.
»Das ist frauenfeindlich«, giftete Dornröschen.
Twiggy grinste, aber Dornröschens Blick verwandelte Twiggy in einen Eisklumpen.
Als er wieder aufgetaut war, sagte er vorsichtig: »Wir sollten sie vielleicht grillen, die liebe Frau Quasten.«
»Nicht schlecht.« Matti schlug den Ordner zu. »Wir haben sie in der Hand und ganz Kolding auch. Ein schönes Gefühl.«
»Aha, ein Erpresser erwacht«, spottete Dornröschen.
»Am Ende werden wir Rosis Material veröffentlichen, und wenn du brav bist und Robbi überzeugst, kriegst du vielleicht eine Mehrheit dafür, es in deinem Weltblatt zu machen.«
»Pah.« Dornröschen streckte ihm die Zunge raus.
Sie verabredeten sich am nächsten Abend im Il Casolare in der Grimmstraße. Die WG hatte einen Tisch neben dem Eingang reserviert. Touristen drängelten sich auf dem gepflasterten Bürgersteig. Von der Admiralbrücke drangen Mundharmonikaklänge herüber. Es wimmelte dort von jungen Leuten mit Flaschen. Auf dem Steingeländer saß ein Mann mit einem Zopf, der wie besessen auf seinen Bongos trommelte. Irgendwo sangen Leute Norwegian Wood , fanden aber nicht die richtige Tonlage. Ein Betrunkener schrie herum, verfluchte Hartz IV und die Justizvollzugsanstalt Moabit. Ein Land Rover bahnte sich hupend den Weg durch den Trubel auf der Brücke, dazwischen düsten Radfahrer in abenteuerlicher Geschwindigkeit durch die Menge.
»Sie sind Matti?«, fragte sie.
Matti deutete auf den freien Platz.
Der Bongotyp erreichte seine Höchstform. Der Land Rover stand, weil ein paar angetrunkene Typen mit Union-Jack-T-Shirts ihre Hintern nicht von der Straße schieben wollten. Der Fahrer hupte und gestikulierte.
»So ist das hier immer, jeden Tag und vor allem jede Nacht«, sagte Frau Quasten. »Unsere Vertragspartner, Mieter, Käufer, egal, sind genervt. Der Gräfekiez als endloses Happening von Leuten, die offenbar nie etwas zu tun haben. Sie hocken rum und machen Krach. Seit dem Mord ist es ein bisschen besser geworden. Aber langsam erreichen wir wieder die alten Zustände.« Sie war bleich und hatte Ringe unter den Augen. »Es ist zum Kotzen.« Verachtung lag in ihrer Stimme. »Dieses Gesocks.«
Rosi hätte so etwas nie gesagt. Die Quasten sah ihr wirklich verteufelt ähnlich. Sogar Matti hätte sie verwechseln können, im Dämmerlicht der Laternen sowieso. Er hatte sie angerufen und nur gesagt: »Schöne Grüße aus Bukarest und Brüssel, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Was wollen Sie?«
»Ein Gespräch, sonst nichts.«
Frau Quasten holte eine Packung Malboro aus der Handtasche und steckte sich eine an. Sie trug nur am kleinen Finger keinen Ring. Das weite Leinenkleid sah edel aus. Die Haare hatte sie hochgesteckt. In ihrem Gesicht zuckte es. »Sie wollten mit mir reden«, sagte sie zu Matti. »Bitte.«
Der Kellner erschien. Matti bestellte Rotwein, Twiggy ein großes Pils, Dornröschen Tee, die Kolding-Frau winkte ab.
»Sie haben unsere Freundin Rosi mit Infos versorgt.«
Frau Quasten erbleichte. »Woher …?«
Matti schob ihr einen Stapel Kopien über den Tisch.
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