Tod in Lissabon
geschehen ist, als die Australier während des Krieges auf Ost-Timor gelandet sind? Salazar wird die Kolonien nie aufgeben. Sie sind das Reich. Sie sind Portugal. Sie sind Teil seiner diktatorischen Verfassung, seines Estado Novo. «
»Ich bitte dich, Joaquim … der Mann ist jetzt zweiundsiebzig Jahre alt.«
»Wenn du glaubst, er hätte nicht die Energie dafür, irrst du dich. Es ist eine Schwäche von ihm. Das weiß jeder. Was glaubst du, warum er zu Hause ständig Ärger hat?«
»Moniz versucht, ihn zum Rücktritt zu bewegen?«, fragte Felsen höhnisch und warf die Hände in die Luft, als wollte er Salz über seine Schultern werfen.
»Nicht zu vergessen General Machedo. Der ist schließlich auch noch da.«
»In Brasilien, ein paar tausend Kilometer weit weg.«
» Das ist ein populärer Mann«, sagte Abrantes, ohne auf Felsens Einwand einzugehen. »Das ist ein Mann, der alles tun würde, um an die Macht zu kommen … und wenn er die Armeeführung nicht auf seine Seite bringen kann, würde er sogar mit diesen Leuten reden.«
»Diesen Leuten?«, fragte Felsen.
Abrantes rang die Hände und klopfte immer wieder auf das Geländer. Es war, als ob die beiden Geschäftspartner sich gegenseitig ein Theaterstück vorspielten.
»Diese Leute erregen Aufmerksamkeit. Sie haben die Santa Maria gekapert, das Kreuzfahrtschiff. Sie haben eine TAP-Air-Portugal-Maschine entführt. Sie …«
»Wer sind sie? Diese Leute … diese Leute … welche Leute?«
»Die Kommunisten «, sagte Abrantes und riss die Augen auf. Was Felsen zunächst für gespielte Furcht hielt, war in Wahrheit Erstaunen. »Diese Leute muss man fürchten, und das solltest du am besten wissen. Sieh dir an, was sie mit Berlin gemacht haben.«
»Die Mauer? Die wird keinen Bestand haben.«
»Es ist eine Mauer«, sagte Abrantes. »Man baut keine Mauer, von der man annimmt, dass sie nicht lange steht. Und sie sammeln auch hier ihre Kräfte. Das weiß ich.«
»Woher?«
»Ich habe Freunde«, sagte Abrantes, »… bei der Polícia Internacional e de Defesa do Estado – der Staats- und Fremdenpolizei.«
»Und die PIDE spricht so über Salazar?«
»Du verstehst nicht, mein Freund. Du hast viele Jahre außer Landes verbracht, während ich die ganze Zeit hier in Lissabon war. Die PIDE«, sagte er und breitete die Hände aus wie ein Prediger, »die PIDE ist nicht bloß die Polizei, sie ist ein Staat im Staat. Die PIDE sieht die Dinge, wie sie wirklich sind. Sie sieht die Gefahren. Sie sieht die Kriege in Afrika. Sie sieht die Entwicklung bei uns zu Hause. Sie sieht Abweichler. Sie sieht Kommunisten. All das ist eine Bedrohung der … Weißt du, was die Kommunisten mit den Banken machen?«
Felsen sagte nichts. Er kannte Abrantes in vielerlei Gestalt – als gerissenen Geschäftspartner, skrupellosen Arbeitgeber, Kostendrücker, Geschäfte-Einfädler –, aber er hatte ihn noch nie als politische Unke erlebt.
»Sie verstaatlichen sie«, sagte Abrantes und warf die Hände in die Höhe, als würde er darin eine Bibel halten.
Felsen strich über seine grauen Bartstoppeln. Seine offenkundige Sorglosigkeit verärgerte Abrantes.
»Das bedeutet, wir besitzen gar nichts mehr«, betonte er voller Entsetzen.
»Ich weiß, was Verstaatlichung bedeutet«, sagte Felsen, »und ich weiß, was Kommunismus ist. Ich habe auch Angst davor, mich brauchst du nicht zu überzeugen. Aber was schlägst du vor? Dass wir verkaufen und aussteigen? Ich gehe nicht nach Brasilien.«
»Manuel geht zur PIDE«, sagte Abrantes, und Felsen unterdrückte den Impuls, laut loszulachen – das war die Lösung?
»Was ist mit seinem Studium?«, fragte er automatisch.
»Er hat nicht die nötigen Zensuren«, sagte Abrantes und tippte sich mit dem Ende seiner Zigarre an die Stirn. »Ich schaue mir Pedro an, und ich schaue mir Manuel an … und kann nicht glauben, dass sie von denselben Eltern sind. Versteh mich nicht falsch … ich glaube, dass Manuel bei der PIDE sehr erfolgreich sein wird. Ich habe ihn mit den entsprechenden Leuten bekannt gemacht. Sie mögen ihn. Der Junge hat jetzt eine Ordnung in seinem Leben. Und er mag die Kommunisten auch nicht. Da brauchen sie ihm nichts mehr beizubringen. Du wirst sehen, wir werden alle davon profitieren. Wenn in unseren Fabriken Kommunisten arbeiten, wird er sie aufspüren und ins Caxias-Gefängnis werfen. Und im Gefängnis von Caxias weiß man, wie man mit Kommunisten umzugehen hat.«
Felsen murmelte etwas. Der Fanatismus des Mannes ließ den aguardente
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