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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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plötzlich bitter schmecken. Abrantes lehnte sich zurück, steckte sich die Zigarre in den Mund und strich die Krawatte über seinem Bauch glatt.
    Manuels struppiger Schopf tauchte wieder in die Dunkelheit der geschützten Terrasse hinter der Veranda.
     
    Zur Abendessenszeit verabschiedete sich Abrantes mit seiner Familie und Patricia, die behauptete, sich nicht wohl zu fühlen, vor allem jedoch nicht mit dem mittlerweile stark betrunkenen Felsen allein zurückbleiben wollte.
    Nach mehreren Anläufen schaffte es der verlassene Gastgeber, »Jailhouse Rock« auf dem Plattenspieler aufzulegen und sich auf die Veranda hinauszuschleppen, wo er die noch immer milde Seeluft tief einatmete und in die Dunkelheit starrte.
    Als die Platte zu Ende war, hörte man nur noch ein Rauschen und das regelmäßige Klicken der Nadel. Er polterte die Treppe hinunter und trank gierig Wasser, bis er glaubte, platzen zu müssen.
    Eine kleine Ewigkeit später fand er sich zu seinem eigenen Erstaunen im Schlafzimmer wieder, wo er das Fenster aufriss und sein Hemd aus der Hose zerrte, die er dann fallen ließ und abstrampelte. Ihm war heiß, und er sehnte sich danach, nackt und bewusstlos unter dem kühlen Laken zu liegen.
    Er riss das Laken zur Seite, schreckte zusammen und taumelte zwei Schritte zurück. In der Mitte seines Bettes hockte eine große Echse. Ihr Kopf wippte hin und her, und sie drückte sich an das Laken. Felsen wankte aus dem Zimmer und kam mit einem Nudelholz und einem Hammer zurück. Sein erster Schlag verfehlte die Echse um Längen, scheuchte sie jedoch auf. Sie kämpften zehn Minuten miteinander und legten dabei das halbe Schlafzimmer in Trümmer, bis Felsen das Tier mit dem frustriert geschleuderten Nudelholz schließlich traf. Danach schlug er mit dem Hammer auf das Tier ein, bis es sich nicht mehr rührte. Zuletzt packte er die erstaunlich schwere Echse am Schwanz und warf sie in den Garten.
    Am Morgen erwachte er mit pochendem Herzen. Er war noch immer betrunken. Das wusste er, weil er keine Kopfschmerzen hatte und auch über den Anblick von Blut auf dem Laken und den beiden Kopfkissen nicht besonders entsetzt war. Durch die Fenster fiel blasses graues Licht, vom Meer wehte eine kühle Brise. Es war zehn Uhr morgens, das Haus lag in dichtem Nebel.
    Im Badezimmerspiegel entdeckte Felsen eine verkrustete Schramme an seiner Stirn, die er säuberte, bevor er duschte, bis er wieder einigermaßen bei Sinnen war. Als er das Haus verließ und zu seinem Wagen ging, zog er einen Wollmantel über seinen Anzug. Auf dem Weg zur Garage kam er an der toten Echse vorbei und stellte erstaunt fest, wie riesig sie war: Mit Schwanz maß sie bestimmt einen halben Meter. Er rollte den Kadaver mit dem Fuß auf den Rücken. Kein einheimisches Tier, dachte er.
    Er öffnete die Garage und blickte wie auf Befehl sofort zu Boden. Unter der hinteren Stoßstange lagen zwei sich kreuzende verrostete Hufeisen. Er ging in die Hocke und entdeckte, dass hinter beiden Hinterreifen weitere Hufeisen arrangiert worden waren. Er sammelte sie ein und warf sie mit übertriebener Wucht über die Mauer.
    Keuchend setzte er rückwärts aus der Garage. Als er das Garagentor schließen wollte, entdeckte er zwei weitere Hufeisen, die hinter den Vorderreifen gelegen hatten. Er rannte hin, hob sie auf und schleuderte sie inzwischen beinahe panisch ins Gebüsch. Auf der Fahrt nach Estoril spürte er, wie hinter seinen Augen ein stechender Kopfschmerz einsetzte.
    Kaum einen Kilometer von seinem Haus entfernt schien strahlend die Sonne. Er kam schweißgebadet in Estoril an, wo er einen Kaffee trank, der dem für die Atmung zuständigen Teil seines Gehirns offenbar ernsthaften Schaden zufügte. Sein Herz raste, als würde es statt dickem, kräftigem Blut nur Äther pumpen. Er ließ den Mantel im Wagen und ging, die Jacke über die Schulter geworfen, zu Abrantes’ Haus. Als er ankam, war sein Hemd nass geschwitzt, und der Schweiß tropfte von seinen Augenbrauen. Das Hausmädchen hätte ihn beinahe nicht hereingelassen. Sie ließ ihn mit einem Glas Wasser im Wohnzimmer Platz nehmen, doch Felsen war zu aufgewühlt, um stillzusitzen, und lief in dem Raum auf und ab wie ein Panter im Käfig.
    Joaquim Abrantes rauschte voller Energie und Entschlossenheit ins Zimmer, bis er den verkaterten Felsen in seinem verschwitzten Hemd und mit dem blutigen Kratzer auf der Stirn sah.
    »Was ist passiert?«
    Felsen erzählte es ihm.
    »Eine Echse?«, fragte Abrantes.
    »Ich wüsste gern,

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