Tod in Lissabon
wer sie dorthin gelegt hat.«
Manuel wurde hereingerufen und eines Streiches bezichtigt. Der Junge, der dastand wie ein Soldat, wirkte verblüfft, stritt vehement alles ab und wurde wieder entlassen.
»Ich mache mir Gedanken um den Jungen«, sagte Abrantes. »Er schnüffelt ständig in fremder Leute Häuser herum.«
Felsen berichtete von den Hufeisen. Abrantes erstarrte in gebückter Haltung, und für einen Moment erkannte Felsen den Bauern aus der Beira – abergläubisch, heidnisch und ungute Gerüche witternd.
»Das ist schlecht«, sagte er. »Das ist sehr schlecht. Vielleicht sind deine Nachbarn wütend auf dich.«
»Ich habe keine Nachbarn.«
»Dann vielleicht Leute aus dem Dorf.«
»Außer dem Hausmädchen kenne ich niemanden aus dem Dorf, und sie wirkt ganz zufrieden, für mein Geld zu arbeiten.«
»Du weißt, was du tun musst?«
»Ich hoffe, du kannst es mir sagen. Es ist schließlich dein Volk.«
»Du musst zu der Senhora dos Santos gehen.«
»In der Beira?«
»Nein, nein, zu einer hiesigen. Erkundige dich im Dorf. Die werden es schon wissen. Diese Form der Magie stammt nicht aus der Beira.«
»Magie?«
Abrantes nickte ernst.
Felsen fuhr zurück nach Azóia, das noch immer im Nebel lag, eine zum Stillstand gekommene, abgeschlossene, gedämpfte und nach der Augustsonne von Estoril eiskalte Welt. Er ging in ein Lokal, in dem sich vier Menschen aufhielten, drei schwarz gekleidete Männer und der Barkeeper. Niemand sagte etwas. Felsen stellte seine Frage, und ein Junge namens Chico wurde gerufen.
Felsen folgte ihm durch die engen Gassen des Dorfes. Der Nebel war so dicht, dass er, in seinem Zustand, gelegentlich stehen blieb und wie vor einer massiven Mauer zurückwich. Der Junge führte ihn zu einem Haus am Rande des Dorfes. In seinen schwarzen Haaren hatte sich Feuchtigkeit gesammelt wie Morgentau.
Eine Frau in einem blauen Blumenkittel öffnete die Tür und wischte ihre Hände an einem Lappen ab – vielleicht hatte sie gerade das Mittagessen ausgenommen oder irgendwelche Eingeweide beschaut. Sie hatte ein rundes Gesicht mit sehr kleinen Augen, die sie nur zu winzigen Schlitzen öffnete. Sie sah den Jungen an, der so groß war wie sie, doch Felsen ergriff selbst das Wort.
»Ich habe ein Problem und möchte, dass Sie sich mein Haus ansehen«, sagte er.
Sie schickte den Jungen weg, Felsen gab ihm eine Münze. Sie gingen in den Garten hinter dem Haus, in dem ein großer, mit einer Kuppel versehener Taubenschlag stand. Sie griff hinein, Tauben flatterten und gurrten. Ein Tier mit weiß-braun gemaserten Federn setzte sich auf ihre Hand, sie drückte es an ihre Brust und streichelte es sanft. Felsen fühlte sich seltsam ruhig.
Im dichten Nebel fuhren sie zu seinem Haus, und Felsen steckte immer wieder den Kopf aus dem Seitenfenster in der Hoffnung, so mehr sehen zu können.
Die Senhora dos Santos inspizierte die bereits von Ameisen wimmelnde Echse.
»Sie haben gesagt, Sie hätten sie in Ihrem Bett gefunden?«
Felsen nickte mit einem Anflug von Skepsis.
»Es wäre besser gewesen, wenn Sie sie nicht getötet hätten.«
»Warum?«
»Lassen Sie uns im Haus nachsehen.«
Sobald sie den Flur betreten hatte, wurde ihr Atem schwer, als hätte sie eine Asthma-Attacke. Sie schleppte sich mühsam durchs Haus, das Gesicht knallrot und trotz der Kälte vom Ozean schweißnass. Felsen hätte ob der Absurdität des Spektakels beinahe laut losgelacht. Er blieb unbeeindruckt hinter ihr, als würde er oberflächlich irgendein Lagerhaus inspizieren.
Sie untersuchte das von der Schramme an seiner Stirn blutverschmierte Bett, als würde eine mit Stichwunden übersäte Leiche darauf liegen, und taumelte dann aus dem Zimmer, die Treppe hinunter und hinaus in den Garten. Felsen folgte der Senhora dos Santos beflissen und gespannt wie ein Schuljunge mit einer Vorliebe für Schauergeschichten.
Ihr Atem beruhigte sich, ihr Gesicht nahm wieder seine normale Farbe an. Die Taube hatte nicht so viel Glück. Sie fiel tot und schon steif aus den Händen der Alten. Sie betrachteten den toten Vogel, sie traurig, Felsen empört über die Quacksalbermethoden der Frau, denn er hegte keinen Zweifel, dass sie das Tier selbst getötet hatte.
»Was halten Sie davon?«, fragte er.
Die Miene, mit der sie ihn ansah, war nicht ermutigend. Sie hatte die Augen erstmals weit aufgerissen, vollkommen schwarz und ohne erkennbare Iris.
»Das ist nicht unsere Magie«, erklärte sie.
»Aber was hat das alles zu bedeuten?«, fragte er.
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