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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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»Die Eidechse? Die Hufeisen?«
    »Sie haben die Echse getötet … in Ihrem eigenen Bett. Das bedeutet, dass Sie sich zerstören werden.«
    »Mich umbringen?«
    »Nein, nein. Sie werden sich selbst zu Fall bringen.«
    Er schnaubte.
    »Und die Hufeisen?«
    »Die werden Sie daran hindern, irgendwohin zu gehen. Sie werden …«
    »Aber ich war doch woanders. Sie und ich sind doch gerade mit dem Auto gefahren.«
    »Es geht nicht um das Auto, Senhor Felsen«, sagte sie, und einen Moment lang fragte er sich, woher sie seinen Namen kannte.
    »Worum dann?«
    »Um Ihr Leben.«
    »Und was ist das für ein … ein …«, sagte er, gestenreich nach dem passenden Wort suchend.
    »Das ist Macumba.«
    »Macumba?«
    »Schwarze Magie aus Brasilien.«

26
    Samstag, 13. Juni 199–,
    Paço de Arcos, Lissabon
     
    Während der sechs harten Monate reduzierten Fettkonsums zur Stählung meiner Figur hatte ich geplant, das Ende meiner Fastenzeit mit der Zubereitung einer fetttriefenden Mahlzeit für Olivia und mich zu feiern. Mein Körper sehnte sich nach arroz de pato , Ente mit Reis, wobei das Fett der mit chouriço gespickten Ente beim Garen in den Reis sickerte, bis das Fleisch unter dem Messer zerfiel und die Haut knusprig war – dazu ein kräftiger, süffiger Rotwein. Doch die Zubereitung dauerte Stunden, es war schon fast Mitternacht, Olivia war nicht zu Hause, und der Kühlschrank war leer.
    Ich tappte auf nackten Füßen durch die Küche, taute ein paar Putensteaks, die ich im Gefrierfach gefunden hatte, in warmem Wasser auf, kochte Reis, wärmte eine Dose Mais auf und öffnete eine Flasche roten Esteva.
    Um halb eins genoss ich bei Kaffee und aguardente meine vorletzte Zigarette, als Olivia, nach Parfüm und Bier riechend, nach Hause kam. Sie setzte sich zu mir und rauchte mir die letzte Zigarette weg. Als ich mich beschwerte, umarmte sie mich und gab mir einen knallenden Kuss aufs Ohr. Ich drückte sie an mich und widerstand dem Drang, sie anzuknabbern, wie ich es getan hatte, als sie noch ein kleines Mädchen war. Sie wand sich zappelnd aus meiner Umarmung und fragte, was mit meiner Hand passiert sei.
    »Ein kleiner Unfall«, sagte ich, weil ich keine Lust hatte, mich noch einmal damit auseinander zu setzen.
    »So«, sagte sie auf Englisch und nippte an meinem Kaffee.
    »Du siehst glücklich aus«, sagte ich.
    »Das bin ich auch.«
    »Hast du jemanden kennen gelernt, den du magst?«
    »Irgendwie schon«, wich sie der Frage aus, wie es jeder tun würde, egal wie alt. »Und wie war dein Tag?«
    »Hast du irgendwas gehört?«
    »Das Mädchen vom Strand, Dad. In Paço de Arcos wurde den ganzen Tag über nichts anderes geredet.«
    »Und in Cascais?«
    »In Cascais auch.«
    »Das heißt, ihr habt mal für zwei Sekunden nicht über die Manic Street Preachers geredet.«
    »So lange nun auch wieder nicht.«
    »Nun, ja, sie lag tot am Strand, erschlagen und erwürgt. Nicht schön. Das Einzige …«
    »Wie alt war sie?«
    »Ein bisschen jünger als du.«
    »Was war ›das Einzige‹?«
    Hinter all den Kleidern, Frisuren und dem Make-up sah ich noch immer meine süße Tochter, mein kleines Mädchen. Manchmal hatte ich nachts wach gelegen und mir Sorgen gemacht, weil ich ein Mann bin und die Männer kenne. Ich habe an die jungen Typen gedacht, die das nicht sehen wollten, die das sahen, was sie nach Olivias Willen auch sehen sollten. Das war es vermutlich. Mädchen wollten nicht für immer kleine Mädchen bleiben, und heutzutage nicht einmal für zehn Minuten.
    »Vielleicht kanntest du das Mädchen«, sagte ich ausweichend.
    »Ich?«
    »Warum nicht. Sie war in deinem Alter. Ihre Eltern wohnen in Cascais. Sie geht in Lissabon zur Schule – auf das Liceu D. Dinis. Sie heißt Catarina Sousa Oliveira. Auch die Kinder reicher Leute werden ermordet.«
    »Ich kenne niemanden vom Liceu D. Dinis. Ich kenne niemanden namens Catarina Sousa Oliveira. Aber das war nicht ›das Einzige‹. Du hast es dir anders überlegt, ich weiß es. Du willst nicht …«
    »Stimmt. Die Sache ist … sie war noch nicht einmal sechzehn, und für ein Mädchen ihres Alters hatte sie schon eine Menge Freier.«
    »Freier?«
    »Ja, wie eine Prostituierte Freier hat.«
    » Das weiß ich … es ist nur ein komisches Wort.«
    »Ich wette, das hat dir deine Mutter nicht beigebracht.«
    »Mum und ich haben über alles geredet.«
    »Auch über Freier?«
    »Man nennt es Sexualerziehung, Dad. Sie hatte selbst nie eine genossen, also wollte sie es bei mir anders machen.«
    »Sie

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