Tod in Lissabon
ruinierst du dich«, sagte Abrantes, sein allumfassendes Wissen demonstrierend, als wären seine Ausflüge mit Pica zur Harley Street eine Ausbildung gewesen, die ihn dazu befähigte, über jedes medizinische Phänomen zu dozieren. Felsen schmauchte seine Zigarre, als wollte er Rauchzeichen aussenden.
»Rauchen ist auch ungesund … wenn man nichts isst«, fügte Abrantes hinzu, worauf Felsen am liebsten ein mitternächtliches Bad im Pool angekündigt hätte, um zu sehen, ob sein Partner auch das für gesundheitsgefährdend erklären würde.
»Außerdem bist du nervös«, stellte Abrantes fest. »Du kannst nicht einen Moment stillsitzen. Du arbeitest nicht. Du verbringst zu viel Zeit mit zu vielen verschiedenen Frauen. Du solltest ruhiger werden, heiraten …«
»Joaquim?«
»Was?«, fragte er und blickte unschuldig und gekränkt aus seinem Sessel. »Ich versuche bloß, dir zu helfen. Seit du aus Afrika zurück bist, bist du nicht mehr du selbst. Wenn du eine Frau hättest, müsste ich mir keine Sorgen um dich machen … das machen die Ehefrauen.«
»Ich will nicht heiraten«, verkündete Felsen zum ersten Mal laut.
»Aber du musst, du musst Kinder haben … sonst …«
»Was sonst?«
»Sonst hört alles auf. Du willst doch nicht, dass deine Linie mit dir endet.«
»Ich bin doch nicht der letzte männliche Habsburger, Joaquim.«
Abrantes wusste nicht genau, was ein Habsburger war, und das brachte ihn zum Schweigen. Sie tranken. Felsen goss sein Glas noch einmal voll und kehrte ans Fenster zurück.
Er sah, wie Abrantes’ Spiegelbild den Hals reckte, um zu erkennen, was es dort draußen Spannendes zu beobachten gab.
»Manuel kommt gut zurecht bei der PIDE«, sagte er unvermittelt.
»Das hast du mir erzählt.«
»Sie sagen, er hätte eine natürliche Begabung für diese Arbeit.«
»Vielleicht ein misstrauischer Geist?«
»Ein fragender Geist«, antwortete Anbrantes. »Man erzählt mir, dass er gern alles weiß … er wird zum agente de 1a classe befördert.«
»Ist das sehr beeindruckend?«
»Nach einem halben Jahr im Dienst? Ich denke schon.«
»Was macht er genau?«
»Nun … er überprüft Leute, weißt du. Er redet mit Informanten und findet die Würmer im Apfel.«
Felsen nickte abwesend. Abrantes rutschte auf seinem Lieblingssessel hin und her, ohne eine bequeme Position zu finden.
»Ich wollte dich das schon seit Monaten fragen«, setzte er an.
»Was?«, fragte Felsen und wandte sich, zum ersten Mal an diesem Abend ernsthaft interessiert, vom Fenster ab.
»Hast du wegen deines Problems im Sommer die Senhora dos Santos aufgesucht?«
»Natürlich.«
Abrantes lehnte sich, die Beine gespreizt, erleichtert zurück.
»Ich habe mir Sorgen gemacht, dass du es nicht ernst nehmen würdest«, sagte er. »Dabei ist es eine sehr ernste Sache.«
»Sie hat nichts gemacht«, sagte Felsen. »Sie meinte, es wäre nicht ihre Art von Magie.«
Abrantes schoss wie auf Knopfdruck aus dem Sessel, fasste Felsen am Ellbogen und drückte ihn fest, um ihm die Wichtigkeit der Angelegenheit nahe zu bringen.
»Jetzt weiß ich, was mit dir los ist«, sagte er mit weit aufgerissenen Augen. »Du musst jemanden aufsuchen. Sofort.«
Felsen zog seinen Arm zurück, kippte den Rest Armagnac hinunter und verabschiedete sich.
Es war halb elf, und er war betrunken, aber nicht zu betrunken, um nicht noch selbst zum Cabo da Roca hinauszufahren. Er steuerte seinen Mercedes durch die stillen schwarzen Straßen, die vom Regen glänzten. An ein paar Adressen in Cascais verlangsamte er seine Fahrt, fuhr dann aber doch jedes Mal weiter, nicht weil er nicht genügend körperliche Lust gehabt hätte, sondern weil er sich die vorher nötige Konversation nicht vorstellen konnte. Er rauchte den Stumpen seiner Zigarre und trommelte auf das Lenkrad, als ihm dort draußen, in der stürmischen Dunkelheit auf der Straße nach Guincho, neben der sich über dem Atlantik neue Stürme zusammenbrauten, der Gedanke kam, dass Maria Abrantes in einem Anfall von Wahnsinn erzählt haben könnte, dass Manuel nicht sein Sohn war. War sie deswegen zurück in die Beira gegangen? Hatte Abrantes deshalb über die Fortsetzung der Linie gesprochen und im selben Atemzug Manuel und seinen Erfolg bei der piDE erwähnt? Im Sommer hatte er einmal beiläufig gesagt, es sei schwer vorstellbar, dass Pedro und Manuel dieselben Eltern hatten. Felsen schüttelte den Kopf. Die Scheibenwischer kämpften ächzend gegen die Fluten vom Himmel an. Eine stürmische Böe wehte
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