Tod in Lissabon
Carlos.
Schweigen.
»Zwing uns bitte nicht, deine ganze Sammlung anzusehen.«
»Es würde Ihnen nicht gefallen.«
»Woher weißt du das?«
»Sie scheinen keine sehr künstlerische Ader zu haben.«
»Sag uns einfach, wie viele Filme.«
»Drei. Alles Stummfilme. Keine Pornografie. Tut mir Leid, Sie zu enttäuschen, Agente Pinto.«
»Ah, wir sprechen hier über Kunst … mit Hühnern, Schlangen und Gummikleidern?«
»Sehen Sie es sich an. Ihre Meinung würde mich interessieren.«
»Was zeigen die drei Filme?«
»Ihr Gesicht … das in die Kamera blickt.«
»Das klingt interessant.«
»Sie hatte einen ganz besonderen Blick.«
»Inwiefern?«
»Deswegen war er ja so besonders«, sagte Valentim und starrte mich an.
»Was hat dir dieser Blick gesagt?«
»Ist das hier ein Verhör oder eine Therapiesitzung?«
Carlos flippte aus.
»Ich krieg dich dran, du kleiner Scheißer«, sagte er leise. »Ich krieg dich wegen Mordes dran.«
»Da haben Sie sich aber eine Menge vorgenommen, Agente Pinto, weil ich sie nämlich nicht ermordet habe.«
»Wo ist der Hammer?«
»Der Hammer?«
»Von deiner Werkbank. Er fehlt.«
»Er müsste irgendwo in dem Schuppen sein. Sehen Sie noch mal genau nach.«
Schweigen, während Valentim ein Trommelsolo auf dem Tisch spielte.
»Wo warst du am Freitagnachmittag?«, fragte Carlos mit beginnender Verzweiflung.
»Das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«
»Dann sag es uns noch einmal.«
»Ich bin in die Biblioteca Nacional gegangen und dort geblieben, bis sie gegen halb acht geschlossen wurde. Fragen Sie die Bibliothekarin. Wir hatten einen Disput, weil sie mich nach sieben Uhr nicht mehr an den Computer lassen wollte.«
»Kennst du irgendwen mit einem schwarzen Mercedes der C-Klasse?«
Valentim lachte und runzelte die Stirn.
»So viel Geld habe ich mir bei der Bank nun auch wieder nicht geliehen.«
»Wovon zahlst du deine Raten?«
»Ich arbeite. Ich verkaufe meine Videos. Ich verdiene Geld damit.«
»Pornografie?«
»Sie haben, wie schon gesagt, offenbar keine besonders künstlerische Ader. Vielleicht hat das mit Ihrer Arbeit zu tun. Es muss doch ziemlich langweilig sein …«
Carlos hatte die Faust schon geballt.
»An Ihrer Stelle würde ich den Kassettenrekorder jetzt ausschalten, Inspektor Coelho. Agente Pinto möchte offensichtlich auf konventionellere Polizeimethoden zurückgreifen.«
Kurz vor sechzehn Uhr beendeten wir die Vernehmung. Carlos und ich gingen zur Avenida Duque de Ávila.
»Er hat was mit der Sache zu tun«, sagte Carlos, immer noch wütend. »Ich weiß, dass er was damit zu tun hat. Wir hätten ihn fragen sollen, ob er eine Sprengladung am Sicherungskasten angebracht hat, nur um zu sehen, wie er guckt.«
»Ich denke, für einen Nachmittag hat er uns genug beleidigt. Das soll uns die Feuerwehr erzählen.«
Um kurz vor halb fünf klapperten wir die Warteschlangen an den Bushaltestellen auf beiden Seiten der Avenida Duque de Ávila ab, wo wir erneut Catarinas Foto herumzeigten. Es war wie eine Mahnung, kein Verbrechen zu begehen, weil irgendwer einen immer beobachtet. Vier Personen hatten gesehen, wie Catarina in den schwarzen Mercedes gestiegen war. Ein Mann erinnerte sich daran, als wäre es eine der Schlüsselszenen aus seinem Lieblingsfilm. Der erste Wagen war ein graumetallicfarbener Fiat Punto gewesen. Der schwarze Mercedes war ein 200er der C-Klasse, ein Benziner mit den Buchstaben NT auf dem Nummernschild. Daneben stand ein alter weißer Renault 12 mit verrostetem hinteren Kotflügel. Der Wagen, gegen den Jamie Gallacher gestoßen war, war ein … Ich erklärte, er hätte uns bereits mehr Informationen gegeben, als wir bräuchten, und notierte seinen Namen, bevor ich Carlos zurück zur Polícia Judiciária schickte, von wo aus er sich mit der Zulassungsstelle in Verbindung setzen sollte. Außerdem trug ich ihm auf, Geschäftsadresse und Telefonnummer von Lourenço Gonçalves zu ermitteln. Und dann tat ich, was ich schon den ganzen Tag hatte tun wollen – ich ging zu meiner Lieblingswohnung in der Rua Actor Taborda.
31
24. April, 1974,
Rua do Ouro, Baixa, Lissabon
Kurz vor Mitternacht stand Joaquim Abrantes im Dunkeln am offenen Fenster. Seine Frau Pica lag auf der Chaiselongue und drehte an der Sendereinstellung des Radios, um etwas Unterhaltsames zu finden, das ihren Mann nicht wahnsinnig machte. Schließlich bekam sie einen ausländischen Sender herein, der »Angie« von den Rolling Stones spielte.
»Dreh das Ding ab!«, brüllte
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