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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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in den Mund nehmen. Das Gold existiert nicht. Es hat nie Gold gegeben. Hast du verstanden?«
    »Absolut«, sagte sie, ging ins Schlafzimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
    Abrantes zog seinen Mantel über und trat auf die Straße. Er ging in Richtung Terreiro do Paço und weiter zum Fluss. Die Praça do Comércio war voller Truppen, die jedoch zu Abrantes’ Erstaunen miteinander scherzten und lachten.
    Um kurz vor acht nahte plötzlich eine Panzerkolonne aus der Kaserne der Siebten Kavallerie. Abrantes zog sich in den Torbogen auf der nördlichen Seite des Platzes zurück.
    »Jetzt werden wir ja sehen«, sagte er zu einem Soldaten, der ihn ansah, als hätte er es mit einem Neandertaler zu tun.
    Die Panzerkolonne kam zum Stehen. Die Luke des ersten Panzers wurde geöffnet. Ein auf dem Platz stehender Hauptmann trat vor. Der Leutnant in dem Panzer rief ihm etwas zu, und seine Stimme war in der frischen Morgenluft auf dem vollkommen stillen Platz gut zu hören.
    »Ich habe Befehl, das Feuer auf Sie zu eröffnen«, sagte der Leutnant, und die Soldaten auf dem Platz gingen in Habtacht-Stellung, »aber eigentlich will ich nur lachen.«
    Die Soldaten rührten sich, und ein Murmeln erhob sich über dem Platz.
    »Dann tun Sie es einfach«, sagte der Hauptmann.
    Die Truppen auf dem Platz jubelten. Der Leutnant hob eine Hand, spreizte alle fünf Finger und wies auf die Kolonne hinter sich. Der Hauptmann schickte einen Zug zu dem fünften Panzer, und vier Männer kletterten auf das Kettenfahrzeug. Als die Luke aufging und ein zorngeladener Oberst seinen Kopf heraussteckte, blickte er in die Läufe von vier Gewehren.
    Auf dem Tejo ging das Marineschiff Almirante Gago Coutinho vor dem Praço do Comércio in Position und richtete seine Kanonen auf das Herz der Stadt. Truppen und Panzer auf dem Platz beobachteten das Manöver schweigend und wappneten sich für die erste Salve. Etliche Minuten vergingen. Auf dem Schiff war kein Geräusch und auch keine Bewegung der Kanonen auszumachen, keinerlei Signal, bis eine der Schiffskanonen ganz langsam von der Stadt weg auf das Südufer des Tejo schwenkte. Aus der Warte der Kanoniere sah es aus, als hätte ein Taubenschwarm abgehoben, als mit ohrenbetäubendem Jubel tausende von Mützen in die Luft geschleudert wurden. Joaquim Abrantes machte kehrt und ging zurück die Rua do Ouro hinauf.
     
    Zé Coelho kam erst um zehn Uhr morgens nach Hause. Er und seine Freunde hatten den verletzten Mann ins Krankenhaus gebracht, wo die Schwestern in der Notaufnahme Zés blutverschmierte Kleider gesehen und sich geweigert hatten, ihn wieder gehen zu lassen, bevor ein Arzt ihn untersucht hatte, was eine Weile gedauert hatte. Man hatte ihn so gut wie möglich gewaschen, doch der Wolfsfellkragen seines Mantels war ruiniert. Seine Mutter öffnete die Tür und schrie auf, was seinen Vater aus dem Schlafzimmer lockte. Seine Schwester nahm Zés Mantel und ließ Badewasser einlaufen. Das Telefon klingelte, und sein Vater nahm ab. Zé und seine Mutter beobachteten schweigend, wie der Oberst, den Blick die ganze Zeit starr auf den Boden gerichtet, leise und ernst sprach und den schweren Bakelithörer dann sachte wieder auf die Gabel legte. Zés Schwester tauchte in der Tür auf.
    »General Spínola«, sagte er gewichtig, »hat mich gebeten, zur Largo-do-Carmo-Kaserne zu fahren, wo sich Premierminister Caetano mit seinem Kabinett aufhält. Ich bin gebeten worden, sie davon zu überzeugen, gegenüber General Spínola die bedingungslose Kapitulation der Regierung zu erklären.«
    »Wusstest du davon?«, fragte seine Frau, deren Stimme bei dem Gedanken, was ein anderer Ausgang des Putsches für sie und ihre Kinder hätte bedeuten können, vor Angst und Entsetzen zitterte.
    »Nein, genauso wenig wie der General. Offenbar wurde der Putsch von den jüngeren Offizieren organisiert, doch der General weiß, dass Caetano sich denen nicht ergeben wird. Der Premierminister will bestimmt nicht, dass die Macht in die Hände des Pöbels fällt.«
    »In die Hände der Kommunisten, meint er«, sagte Zé.
    »Und was hast du getrieben?«, fragte der Oberst und musterte streng die blutbefleckten Kleider seines Sohnes.
    »Ich war vor der PIDE-Zentrale, als man das Feuer auf uns eröffnet hat. Einige Menschen sind getroffen worden, und wir haben einen von ihnen ins Krankenhaus gebracht.«
    Zés Mutter musste sich setzen.
    »Der General hat gesagt, es hätte keine Opfer gegeben.«
    »Nun, wenn du ihn siehst, kannst du ihm von mir

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