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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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ließ. Autos hupten, hinter getönten Scheiben wummerte laute Techno-Musik.
    »Sie hatten Recht, was Olivia betrifft«, sagte er, als wir einem Lieferwagen folgten, dessen Rückfront mit diesem Namen beschriftet war.
    »Reden wir jetzt über meine Tochter?«
    »Sie ist anders.«
    »Halb Portugiesin, und drei viertel Engländerin«, sagte ich. »Was hat sie Ihnen erzählt?«
    »Sie hat mir von einem Jungen an ihrer Schule erzählt, der seinen eigenen Range Rover hat.«
    »Das sieht ihr aber gar nicht ähnlich, sich davon beeindrucken zu lassen.«
    »Das hat sie auch nicht. Das meinte ich ja. Sie ist anders. Sie hat mich gefragt, was jemand, der mit siebzehn einen Range Rover hat, noch für Ziele haben kann.«
    »Eine Testfrage. Und was haben Sie geantwortet?«
    »Ich habe gesagt, dass ihm das die Freiheit geben könnte, nach höheren Dingen zu streben als nach materiellem Reichtum.«
    »Hat sie Ihnen das abgekauft?«
    »Nein«, erwiderte er. »Sie meinte, er wäre schon korrumpiert. Es war gut. Ich habe mich dabei ertappt, ausnahmsweise einmal gegen meine eigene Überzeugung zu argumentieren.«
    »Das gefällt ihr«, sagte ich und sah ihn kurz an. Doch er starrte weiter entschlossen durch die Windschutzscheibe. »Ideen. Diskussionen. Intellektuelle Aggression … das findet sie bei Mädchen ihres Alters nur selten. Würden Sie sie auch als …«
    Jetzt hatte ich seine Aufmerksamkeit.
    »… dumme, hohle Gans bezeichnen?«, fragte ich.
    Der Stau löste sich auf, das Rückgrat der Metallschlange dehnte sich, die Techno-Musik hinter getönten Scheiben verschwand. Carlos war mit anderen Dingen beschäftigt.
    »Sie waren ja lange Zeit oben«, meinte er.
    »Worüber reden wir jetzt?«
    »Bei Narciso«, sagte er. »Haben Sie nur über Senhora Oliveiras Selbstmord gesprochen?«
    »Und ihre Anschuldigungen gegen ihren Mann.«
    »Sonst irgendwas über die Ermittlung im Allgemeinen?«, fragte er zögerlich.
    »Er hat mich auch gefragt, wie wir beide uns verstehen.«
    Carlos packte den Haltegriff unter dem Dach fester.
    »Ich nehme an, er wusste von dem Streit.«
    »Offensichtlich nicht Ihr erster.«
    »Mit Fernandes in Vice hatte ich auch eine Auseinandersetzung.«
    »Den kenne ich nicht«, sagte ich. »Was ist passiert?«
    »Fernandes ist ein Schwein«, erwiderte er und reckte das Kinn. »Er hatte etwas mit ein paar Zuhältern und ihren Mädchen laufen und wollte mich in diesen kleinen Handel mit reinziehen. Ich habe mich geweigert. Er hat mich gefragt, ob kleine Jungs eher mein Geschmack wären, und ich habe ihn geschlagen.«
    »Sie müssen wirklich versuchen, etwas dagegen zu unternehmen, dass Ihre Sicherung immer gleich durchknallt.«
    »Außerdem habe ich es übertrieben. Ich habe ihm die Faust so fest in den Magen gerammt, dass er eine Viertelstunde lang nicht wieder aufgestanden ist. Am nächsten Tag wurde ich woandershin versetzt.«
    »Da bin ich ja froh, dass es bei uns nicht so weit gekommen ist.«
    »Ich hätte Sie nie geschlagen. Sie hatten alles Recht der Welt, wütend zu sein. Als ich meinem Vater erzählt habe, was ich gesagt habe, hätte er mich beinahe selbst verprügelt.«
    »Er klingt wie ein guter Mann.«
    »Er ist ein harter, stolzer Alentejano, der zu Weihnachten immer noch Schweineschwanz und Schweinsohren isst.«
    »Gekocht?«
    »Nein, nein, gegrillt.«
    »Dann muss er ein harter Mann sein.«
     
    Als wir um die Mittagszeit auf dem Gelände mit Schuppen und Garagen ankamen, waren die meisten von ihnen geschlossen. Nur in einem Reifenhandel wurde noch gearbeitet. Wir schlossen die kleine Tür auf, standen vor einem schwarzen Raumteiler, und der Geruch von Verwesung schlug uns entgegen.
    Das Licht funktionierte nicht, sodass wir beide unsere Stiftlampen zückten. Carlos zwängte sich an einer Holztreppe vorbei und trat durch einen von den Stufen hängenden Vorhang. Ich ging nach oben. Carlos würgte, als der Geruch intensiver wurde. Ich landete auf einem Dachboden, konnte jedoch den Sicherungskasten nicht finden. Stattdessen fiel mein Blick auf einen teuren Computer mit Videokamera und Fernsehbildschirm. An der Wand waren sechs Styroporköpfe mit Perücken aufgereiht. Sämtliche Augen waren mit glühenden Zigaretten ausgebrannt worden.
    »Porra!« , sagte Carlos. Verdammte Scheiße.
    »Was?«
    »Der Gestank. Ich habe es gefunden. Hier unten liegen ein paar tote Hühner.«
    »Hühner?«
    »Ja, genau … und eine Schlange. Eine sehr unzufriedene Schlange.«
    »Ich kann Schlangen nicht ausstehen. Ist sie in

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