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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Abrantes. »Wenn ich solche Musik höre, denke ich, die Welt geht unter.«
    »Was machen wir hier überhaupt?«, fragte Pica gereizt. »Warum fahren wir nicht nach Hause nach Lapa und entspannen uns? So bist du immer, wenn du zu viel arbeitest.«
    »Ich mache mir Sorgen«, erwiderte er, ohne es weiter auszuführen.
    Sie fand einen Lokalsender namens Rádio Renascença und erkannte die Stimme von José Vasconcelos, den sie ein paarmal getroffen hatte, als sie noch gearbeitet hatte. Abrantes knurrte erneut. Die Musik gefiel ihm nicht. Sie beeinträchtigte seine Verdauung. Er zog an einer von vier Zigaretten, die in diversen im Zimmer verteilten Aschenbechern vor sich hin qualmten.
    »Und jetzt«, verkündete die leise Stimme im Radio, »singt Zeca Afonso ›Grândola, vila morena …‹«
    »Ich weiß nicht, worüber du dir Sorgen machen müsstest.«
    »Ich mache mir aber Sorgen«, sagte Abrantes, drückte eine Kippe in einem der Aschenbecher aus und nahm sich die darin liegende brennende Zigarette, »weil irgendetwas passiert.«
    »Es passiert etwas?«, fragte Pica mit gespieltem Erstaunen. »Nichts passiert. Es passiert nie etwas.«
    »Manuel hat mir gesagt, dass etwas passieren würde.«
    »Was weiß der schon?«, fragte Pica, die ihn nie hatte leiden können.
    »Er ist Inspektor bei der PIDE. Wenn er es nicht weiß, weiß es niemand. Ich rufe ihn an.«
    »Es ist nach Mitternacht, Joaquim.«
    »Schalt das Radio ab«, sagte Abrantes, als er den Text des Liedes hörte. »Dieser Zeca Afonso ist ein Kommunist.«
    Er wählte Manuels Nummer. Pica drehte das Radio ein wenig leiser.
    »Er ist ein Kommunist«, wiederholte Abrantes, an die Decke gewandt, »und ich werde ihn nicht in meinem Haus dulden. Also mach das Ding aus.«
    Er lauschte dem Tuten. Es klingelte ununterbrochen. Pica schaltete das Radio ab.
    »Er ist im Bett, und dahin gehe ich jetzt auch«, sagte sie.
    Abrantes beachtete sie nicht. Mit dem Telefon in der Hand trat er wieder ans Fenster. Er unterbrach die Verbindung, wählte eine andere Nummer, kam jedoch nicht durch.
     
    Im Parque Eduardo VII. im Zentrum von Lissabon saßen vier Männer in einem Wagen, ein Major, zwei Hauptmänner und ein Leutnant. Der Hauptmann auf dem Vordersitz hatte ein Transistorradio auf den Knien, auf das alle vier Männer wie gebannt starrten, obwohl sie kaum etwas hörten. Der Major lehnte sich auf seinem Sitz zurück, um im Licht einer Laterne auf seine Uhr zu blicken. Der Leutnant gähnte vor Nervosität.
    »Und jetzt«, verkündete die leise Stimme von José Vasconcelos im Radio, »singt Zeca Afonso ›Grândola, vila morena …‹«
    Den vier Männern stockte der Atem, dann fing Zeca Afonso zu singen an. Der Hauptmann drehte sich um.
    »Es hat begonnen, Herr Major«, sagte er, und der Major nickte.
    Sie fuhren zwei Blocks bis zu einem vierstöckigen Gebäude, vor dem sie parkten. Die vier Männer stiegen aus und zogen jeder eine Pistole aus der Tasche, bevor sie das Gebäude betraten, an dessen Außenmauer ein kleines Schild mit der Aufschrift »Rádio Clube Português« hing.
     
    Manuel Abrantes schlief am Steuer seines Peugeot 504 Saloon. Das rechte Vorderrad holperte durch ein Schlagloch, Manuel schreckte hoch und sah, dass der Wagen halb auf dem Seitenstreifen schlingerte. Er riss das Steuer herum und lenkte den Wagen zurück auf die Straße, bevor er anhielt und in schnellen, kurzen Atemzügen Luft holte, bis der Schrecken sich ein wenig gelegt hatte. Er kurbelte das Fenster herunter und sog die kühle Nachtluft ein. Dann tastete er nach dem Aktenkoffer auf dem Beifahrersitz, öffnete ihn und zog eine Aktenmappe heraus, seine eigene Personalakte aus der Zentrale der PIDE/DGS, der Direcção Geral da Saudé, des Amtes für Gesundheit, in der Rua António Maria Cardoso. Er legte die Mappe wieder in den Koffer. Alles war so, wie es sein sollte. Er hatte am Steuer lediglich einen Albtraum gehabt. Er löste seinen Gürtel, der in seinen Bauch schnitt, und überraschte sich selbst mit einem lauten, unangekündigten Furz. Sein Magen war immer noch aufgewühlt. Er legte einen Gang ein und fuhr langsam und ruhiger weiter.
    »Wo bin ich?«, fragte er laut, als könnte sich ein Passagier auf der Rückbank vorbeugen und es ihm sagen.
    Am Ende einer langen, geraden Straße leuchtete ein Schild auf. Er packte das Steuer fester und blinzelte sich den Schlaf aus den Augen. Madrid 120 km.
     
    Ein achtzehnjähriger Zé Coelho saß in einer weiß gekachelten tasca im Bairro Alto und trank

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