Tod in Lissabon
und zog den Schlüssel zu der Bar aus ihrer Schürze, als hätte sie sich neun Jahre auf diesen Augenblick vorbereitet.
Alex schloss das Lokal auf, und António hievte ihn auf einen im Dunkeln an einem Holztisch stehenden Metallstuhl. Dann zündete er die Kerzen an.
»Hinter dem Tresen sollte noch ein Tröpfchen lagern«, sagte Alex. »Müsste inzwischen edel gereift sein.«
António fand eine Flasche aguardente und ein paar Gläser, aus denen er den Staub pustete, bevor er sie mit der blassgelben Flüssigkeit füllte. Sie tranken auf die Freiheit, und Alex bekam einen Hustenanfall.
»Morgen gehen wir zum Notar«, sagte er.
»Wozu?«
»Ich möchte sichergehen, dass der Laden dir gehört, wenn ich abtrete.«
»He, homem , du sollst nicht so reden.«
»Unter einer Bedingung.«
»Also, vergiss es, du wirst …«
»Gieß mir noch ein Glas ein, und hör mir zu«, sagte Alex.
»Ich höre dir zu.«
»Du musst die Bar in A Bandeira Vermelha umbenennen, damit es niemand vergisst.«
Am 2. Mai 1974 aßen Joaquim, Pedro, Manuel und Pica Abrantes in einem kleinen Restaurant in der Innenstadt von Madrid gemeinsam zu Mittag. Sie einigten sich darauf, dass Manuel nach São Paulo fliegen würde, um dort eine Filiale der Banco de Oceano e Rocha zu eröffnen. Joaquim und Pedro wollten nach Lausanne gehen und die politische Situation in Portugal von dort aus verfolgen. Pica fragte, warum man das nicht auch in Paris tun könnte, doch niemand beachtete sie.
Als Manuel Abrantes’ Flugzeug von Madrid nach Buenos Aires am 3. Mai 1974 gerade die afrikanische Westküste verließ, bewarben sich sechsunddreißig ehemalige PIDE/DGS-Agenten bei dem neuen Regime um Aufgaben in der Verkehrskontrolle und der KFZ-Zulassungsstelle.
32
Dienstag, 16. Juni 199–,
Polícia Judiciária, Saldanha, Lissabon
Im Büro herrschte reger Andrang. Narcisos Sekretärin erwartete mich im Flur und führte mich direkt zu ihm nach oben, wo er natürlich noch beschäftigt war, sodass aus den von der Sekretärin angekündigten fünf Minuten zwanzig wurden, ohne dass sie mich wieder gehen ließ.
Um acht Uhr dreißig stand ich vor Narcisos Schreibtisch. Er hatte seinen Sessel bis an die Wand zurückgeschoben und stand ebenfalls, die Tischkante mit beiden Händen gepackt, als wollte er den Schreibtisch auf mich werfen. In seinem Gesicht waren nur selten Gefühle zu lesen, doch an diesem Morgen erkannte ich unzweifelhaft Wut, nicht von der eruptiven, vulkanischen, sondern eher von der eisigen und bohrenden Art.
»Ihr überarbeiteter Ermittlungsbericht liegt mir immer noch nicht vor.«
»Ich hatte heute Morgen noch keine Gelegenheit, an meinen Schreibtisch zu kommen.«
»Den Bericht über die Entwicklungen des gestrigen Tages habe ich auch noch nicht gesehen.«
»Aus demselben Grund, Senhor Engenheiro.«
» Mir ist allerdings einiges zu Ohren gekommen«, fuhr er fort. »Zum Beispiel, dass Sie und Agente Pinto sich unnötig in Gefahr gebracht und dabei in einem Feuer sämtliche Spuren vernichtet haben.«
»Das war ein Unfall.«
»Was sagt die Feuerwehr dazu?«
»Ich habe noch nicht …«
»Ich habe eine Vernehmung des Verdächtigen gehört, die von so himmelschreiender Inkompetenz war, dass ich den Eindruck habe, dass Sie beide nicht mit vollem Verstand bei der Sache sind.«
»Ganz im Gegenteil, Senhor Engenheiro.«
»Wann haben Sie das Gebäude gestern verlassen?«
»Gegen Viertel nach vier, wir haben die Wartenden an der Bushaltestelle in der Avenida Duque de Ávila befragt, wo das Mädchen zuletzt gesehen wurde, als sie …«
»Und Sie sind nicht zurück ins Büro gekommen.«
»Ich habe Agente Pinto geschickt …«
»Und wohin sind Sie gegangen?«
»Ich hatte nichts weiter …«
»Sie wurden beim Betreten eines Wohnhauses in der Rua Actor Taborda ganz hier in der Nähe gesehen.«
»Dort wohnt die Lehrerin des Opfers.«
»Wie lange sind Sie dort geblieben?«
Schweigen.
»Ich kann Sie nicht hören, Inspektor.«
»Vier Stunden.«
»Vier Stunden! Und was hatten Sie vier Stunden lang mit ihr zu besprechen?«
»Ich treffe mich privat mit ihr, Senhor Engenheiro.«
Narciso zuckte nicht mit der Wimper. Er hatte das Ganze exakt vorausgeplant.
»Haben Sie eine Vorstellung von dem Druck, unter dem ich stehe?«
»Er ist gewiss beträchtlich.«
»Sie haben mich gebeten, dafür zu sorgen, dass Inspektor Abílio Gomes in Erfahrung bringt, wo sich Dr. Aquilino Oliveira zum Zeitpunkt des Todes seiner Frau aufgehalten hat.«
»Es war
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