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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Eine nicht wieder gutzumachende Angelegenheit.
    Als ich auf das funkelnde, schimmernde Wasser des Tejo blickte, erkannte ich, dass ich einen weiteren Sack Steine schultern könnte, einen weiteren Sack Schuld oder Geschichte, den ich bis ans Ende meiner Tage mit mir herumschleppen würde. Oder ich konnte es akzeptieren, vertrauen, offen sein … und loslassen.
    Doch wenn ich das wirklich tun wollte, musste ich zunächst etwas klären.
    Ich wandte mich vom Fluss ab, ging durch die Baixa zum Largo Martim Moniz und fuhr mit der Metro nach Norden.
    Bevor Carlos und ich auch nur ein Wort wechseln konnten, wurden wir in Narcisos Büro zitiert.
    »Ich habe Sie gestern nach Alcântara geschickt«, sagte Narciso, dessen Laune sich in den letzten vierundzwanzig Stunden nicht gebessert hatte.
    »Und dorthin sind wir auch gefahren, Senhor Engenheiro«, erwiderte ich.
    »Mag sein, aber Sie sind nicht dort geblieben, Senhor Inspektor. Ein Beamter der PSP hat beobachtet, wie Sie den Tatort verlassen und einen Zug in Richtung Cascais bestiegen haben. Ich möchte wissen, wohin Sie während Ihrer Dienstzeit gefahren sind?«
    »Ich habe Dr. Oliveira besucht«, antwortete ich, und Narcisos gebräuntes Gesicht lief dunkelrot an, »um ihm mein Beileid auszusprechen.«
    »Ist das Teil Ihres persönlichen Zé-Coelho-Service?«
    Ich antwortete nicht. Narciso blickte von mir zu Carlos und wieder zurück.
    »Und was können Sie mir über den Mord an dem Achtzehnjährigen in Alcântara sagen, Senhor Inspektor? Der maricão in der Mülltonne … wie hieß er noch gleich?«
    »Er hat keinen Namen, Senhor Engenheiro«, sagte Carlos. »Er ist als Xeta bekannt.«
    » Cheta? Wie não tenho cheta – ich habe keinen Pfennig?«
    »Das ist Brasilianisch für ›Kuss‹, Senhor Engenheiro«, sagte Carlos.
    »Diese Leute. Mein Gott. Erzählen Sie mir einfach, was passiert ist.«
    »Die Ermittlung …«, begann Carlos.
    »Ich will den Ermittlungsbericht sehen«, schnitt Narciso ihm das Wort ab.
    »Der Junge war ein bekannter Stricher. Wir haben eine Befragung …«, setzte ich an.
    »Kommen Sie mir nicht mit diesem Blödsinn, Inspektor. Sie wissen nichts, und Sie haben nichts getan. Sie steuern auf eine Suspendierung zu, wissen Sie das, eine Suspendierung ohne Fortzahlung Ihrer Bezüge. Und, Agente Pinto …«
    »Ja, Senhor Engenheiro?«
    »Dem Beamten des Drogendezernats, der die Durchsuchungsaktion bei dem Inspektor geleitet hat, ist aufgefallen, dass Sie das Haus um achtzehn Uhr dreißig betreten haben. Was zum Teufel haben Sie überhaupt in Paço de Arcos gemacht?«
    »Ich wollte den Inspektor auf den neuesten Stand der Entwicklungen bringen.«
    »Es hatte doch gar keine neuen Entwicklungen gegeben.«
    »Deshalb wollte ich ja auch über alternative Vorgehensweisen sprechen.«
    »Mit der Tochter des Inspektors?«
    »Sie hat mir aufgemacht, ja. Und ich musste eine Weile warten, bis der Inspektor gekommen ist.«
    »Sie haben das Ende der Fahnenstange erreicht, Agente Pinto. Wenn die Zusammenarbeit mit Inspektor Coelho wieder nicht funktioniert, sind Sie erledigt. Dann sind Sie draußen und können sich um einen Job bei der PSP bewerben. Haben Sie mich verstanden?«
    »Absolut, Senhor Engenheiro.«
    »Dann raus mit Ihnen, alle beide.«
    Carlos war als Erster draußen. Narciso rief mich noch einmal zurück, und ich schloss die Tür. Er hakte einen Finger unter seinen Kragen und weitete ihn, um das angestaute Blut aus seinem Kopf abfließen zu lassen.
    »Ihre Krawatte, Senhor Inspektor«, sagte er. »Wo haben Sie die gekauft?«
    »Meine Tochter hat sie für mich gemacht.«
    »Ich verstehe …«, sagte er sichtlich verlegen. »Meinen Sie, Sie würde mir auch eine machen?«
    »Da müssten Sie sie schon selbst fragen, Senhor Engenheiro. Sie müsste Ihr Gesicht sehen, um etwas Passendes zu entwerfen.«
    Er wischte sich mit der Hand übers Gesicht und winkte mich hinaus. Sein Aftershave in der Nase, verließ ich sein Büro und ging in mein eigenes. Carlos starrte aus dem Fenster auf die Menschen in den Fotokabinen in der Rua Gomes Freire. Ich ließ mich auf meinen Stuhl fallen, zündete eine SG Ultralight an, die ich, gierig nach dem Nikotinkick, in tiefen Zügen rauchte.
    »Wer holt Kaffee?«
    Carlos verließ wortlos das Zimmer und kam mit zwei kleinen Plastikbechern mit zwei Fingerbreit Kaffee zurück.
    »Wollen wir reden?«, fragte er, als er meine bica abstellte.
    »Haben Sie mit Ihrem Vater gesprochen?«
    »Worüber?«
    »Über das, was gestern Abend passiert

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