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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Feuerwehrmänner stellten schnell fest, dass Pedro das Unglück nicht überlebt hatte, doch Isabel, die zwischen Vorder- und Rücksitz eingeklemmt war, atmete noch. Es dauerte eine Stunde, sie aus dem Wrack zu befreien, anschließend wurde sie mit einer Polizeieskorte sofort nach Lissabon gebracht. Das ungeborene Kind, ein 2700 Gramm schweres Mädchen, wurde per Kaiserschnitt zur Welt gebracht und in einen Brutkasten gelegt. Geschwächt durch den Schock des Unfalls versagte das Herz der Mutter während der Operation.
    Die Trauerfeier fand vierundzwanzig Stunden später im Mosteiro dos Jerónimos in Belém statt. Alle Särge waren geschlossen, doch der Anblick der drei Kindersärge brach der Trauergemeinde das Herz. Die Familie Abrantes wurde in einem Familienmausoleum auf dem Cemitério dos Prazeres in Lissabon bestattet, wo bereits die sterblichen Überreste von Joaquim Abrantes ruhten, die 1979 von Lausanne überführt worden waren.
    Miguel da Costa Rodrigues nahm seine Sonnenbrille wochenlang nicht ab, und auch hinterher waren seine Tränensäcke geschwollen. Der Tod seines Bruders warf einen Schatten auf sein Leben, wie er es nur einmal zuvor erlebt hatte. Die Rettung des kleinen Mädchens, das sie, wie ihre Eltern es vorgehabt hatten, Sofia nannten, tröstete ihn nur wenig.
    Seit dem Januar 1982 wurde Miguel da Costa Rodrigues regelmäßig von Manuel Abrantes heimgesucht. Die Banco de Oceano e Rocha zog bis zur Fertigstellung des Neubaus am Largo Dona Estefânia aus der Baixa vorübergehend in größere Räume in der Avenida da Liberdade. Miguel beschloss, das Büro seines Bruders in der Rua do Ouro zu behalten, und begann, die Straßen um die Praça da Alegria nach Mädchen abzusuchen.
    Am 26. März 1982 stieg er die Treppe eines Hauses aus dem 18. Jahrhundert in der Rua da Glória hinauf, begleitet von einer dreiundzwanzigjährigen Prostituierten aus Sines. In den oberen Stockwerken befand sich die Pensão Nuno. Als er auf die Klingel drückte, hörte er, wie in einem Nebenzimmer eine Zeitung zusammengefaltet wurde, bevor der Portier in das Licht der Neonröhre über der Rezeption trat. Es war Jorge Raposo, sein alter Kollege aus dem Gefängnis von Caxias.
    Danach musste Miguel da Costa Rodrigues nicht mehr durch die Straßen um die Rua da Glória streifen. Jorge Raposo schickte ihm die Mädchen direkt in sein Büro in der Rua do Ouro.
    Von April an verbrachte er freitags die Mittagspause und den Nachmittag dort. Zu unterzeichnende Papiere wurden von seinen Sekretärinnen aus der Zentrale dorthin gebracht und diskret hinterlegt.
    Am 4. Mai 1982 brauchte eine Sekretärin der Anwaltskanzlei der Bank eine Unterschrift, auf die sie nicht bis Montag warten konnte. Da niemand zur Überstellung der Dokumente zur Verfügung stand, machte sie sich selbst auf den Weg zu dem Büro in der Rua do Ouro.

35
    Mittwoch, 17. Juni 199–,
    Lissabon
     
    Ich nahm einen frühen Zug zum Cais do Sodré und ging, angerempelt von Pendlern, die eilig von der Fähre zur Arbeit strebten, am Fluss entlang. Es war wieder ein heißer Tag, und ich hatte meine Jacke über die Schulter gehängt. Ich blickte über den Fluss zu dem riesigen Containerkran, der sich am anderen Ufer aus dem Morgendunst erhob. Ich dachte an Carlos Pinto und daran, wie es sein würde, ihn wieder zu sehen, weiter mit ihm zu arbeiten und ihn zu akzeptieren.
    Man glaubt immer, sich zu kennen, bis einem Dinge widerfahren, durch die man die Isolierung der Normalität verliert. Bevor ich meine Frau verlor, hätte ich mich selbst jederzeit für ›reflektiert‹ und ›aufmerksam‹ gehalten. Meine Mitmenschen, Narciso zum Beispiel, sehen mich an und denken, Zé Coelho ist ein Mann, der sich selbst kennt. Aber ich bin wie alle anderen. Ich verstecke mich. Meine Frau hatte Recht. Ich bin neugierig auf die Wahrheit, während ich gleichzeitig meine eigene verberge.
    Mein Vater – ein guter Mensch, der glaubte, das Richtige für sein Land zu tun. Er starb an einem Herzinfarkt, ohne dass wir noch miteinander reden konnten. Vielleicht hätten schon drei Sätze genügt, um uns von unserer Last zu befreien.
    Meine Tochter, die meine Enttäuschung nicht ertragen kann … wie eine untreue Geliebte. Eine grässliche Vorstellung. Der Anblick von ihr und Carlos …
    Lucy Marques’ Beschreibung dessen, was Teresa Oliveira gesehen hatte, schoss mir durch den Kopf. Ihre Tochter. Ihr Geliebter. Pumpende Pobacken. Knöchel an den Ohren. Was für eine absurde Sache, und wie grausam erst.

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