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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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dauerte mit Pausen beinahe vier Stunden. Zweimal versagte ihm die Stimme. Das erste Mal, als er von dem Hinterhalt für den britischen Wagen erzählte. Er hörte einfach auf und verfiel in minutenlanges Schweigen, sodass ich schon dachte, er hätte keine Kraft mehr und müsste eine Pause einlegen. Doch als er wieder ansetzte, klang seine Stimme verändert. Der Mann legte ein Geständnis ab und erzählte beinahe nüchtern und kalt, was er dem englischen Agenten Edward Burton angetan hatte.
    Das zweite Mal brach er ab, als er von seinem letzten Treffen mit Eva Brücke berichtete. Er erzählte zwei Varianten. Die erste war eine Geschichte edler Liebe, die in den Zeiten des Krieges auseinander gerissen worden war. Als Luísa aufhörte zu tippen, versiegte sein Erzählfluss. Wir warteten. Er sammelte sich und erzählte die wahre Version.
    Der Bericht von der Ermordung des Obergruppenführers Lehrer schien ihn eine Menge Kraft zu kosten. Er ließ den Kopf sinken und schlief ein. Wir warteten ein paar Minuten, zwanzig oder dreißig Runden des Leuchtfeuers, bevor Luísa sich vorsichtig erhob und wir gemeinsam nach unten gingen.
    Frau Junge war noch wach und guckte bei einer Tasse Kamillentee und einem Stück Apfelkuchen Satellitenfernsehen. Sie meinte, wir sollten warten, weil er vermutlich in einer Stunde wieder aufwachen würde. Sie bot uns ein Stück Apfelkuchen an, das wir gierig hinunterschlangen.
    »Normalerweise höre ich mir diese endlosen Geschichten an«, sagte sie. »Ach, der Krieg, das ist alles so lange her. Meine Eltern haben nie darüber gesprochen. Niemals. Er hier, er redet in einem fort darüber, als wäre es gestern gewesen. Ist seine Hand auch schön artig gewesen?«
    »Kein Problem«, sagte Luísa, noch benommen von der Arbeit und dem Entsetzen über das Gehörte.
    »Wenn er Ihre Hand nimmt, müssen Sie sich wehren. Lassen Sie nicht zu, dass er sie dorthin legt, wo er es gern hätte.«
    Ich versuchte erneut, Olivia auf ihrem Handy zu erreichen, das jedoch immer noch abgeschaltet war. Luísa telefonierte kurz mit ihrem Vater, bevor sie ihren Computer in die Telefonbuchse steckte und den ersten Teil der Geschichte an ihn abschickte. Eine halbe Stunde später rief er zurück. Luísa unterrichtete ihn über weitere Hintergründe meiner Mordermittlung und legte auf.
    »Er verlangt stichhaltige Dokumente. Er will es nur drucken, wenn es beweiskräftige Unterlagen gibt.«
    Ich sah Frau Junge an, die an ihrem Tee nippte und mit den Schultern zuckte.
    »Ich habe Fotos, aber Dokumente … da müssen Sie ihn schon selber fragen.«
    Über ihrem Kopf leuchtete ein rotes Lämpchen an der Wand auf.
    »Er ist aufgewacht«, sagte Frau Junge.
    Der zweite Teil der Geschichte war kürzer, doch er brauchte länger, ihn zu erzählen, weil wir öfter Pausen machen mussten. Seine Gedanken schweiften ab und kamen auf Einzelheiten zurück, die wir schon gehört hatten. Immer wieder sprach er von einer Frau namens Maria Antónia Medinas, die Manuel Abrantes seiner Meinung nach umgebracht hatte. Ich erklärte ihm, dass sich das mit den Angaben von Jorge Raposo deckte, doch wir konnten ihm nicht entlocken, was diese Frau ihm bedeutet hatte. War sie eine Mitgefangene? Und wenn ja, war sie eine gewöhnliche Kriminelle oder eine politische Gefangene? Hatte er sie schon vorher gekannt?
    Manche Dinge verschwieg er uns, doch wir wussten nicht, ob er das mit Absicht tat oder weil seine Erinnerung über Details hinweghuschte. Kurz vor Schluss verblüffte er uns mit der Enthüllung, dass Joaquim Abrantes’ Freunde bei der PIDE ihn in die Falle gelockt und zwanzig Jahre ins Gefängnis gesperrt hätten und dass Manuel Abrantes sein Sohn war. Wir fragten nach der Mutter, doch er konnte sich nicht mehr an ihren Namen erinnern, war jedoch der Ansicht, dass sie noch irgendwo in der Beira leben könnte.
    Mittlerweile dämmerte es bereits. Das Leuchtfeuer erlosch und wurde zum Nebelhorn, als vom Meer her ein dichter Dunst über die Klippen zog und das Haus einhüllte, sodass man kaum die andere Seite des Hofes ausmachen konnte.
    »Manchmal haben wir hier Tage wie diesen«, sagte Felsen.
    »Es wäre nicht so schlimm, wenn man wüsste, dass es im ganzen Land so ist, aber ein paar hundert Meter weiter scheint die Sonne.«
    »Nur noch eine letzte Frage«, sagte Luísa. »Wenn diese Geschichte Bedeutung erlangen soll, brauchen wir Beweise. Haben Sie irgendwelche schriftlichen Dokumente über die Existenz dieses Goldes?«
    Seine Hand verschwand unter den

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