Tod in Lissabon
Decken, und er präsentierte uns einen angewärmten Schlüssel.
»Alles, was Sie brauchen, befindet sich in dem Metallaktenschrank in meinem Arbeitszimmer. Frau Junge wird es Ihnen zeigen.«
Wir standen auf. Er streckte seine Hand nach Luísas aus, fasste sie und drückte sie an seine Lippen. Sie erschauderte.
»Sie hatten ein außergewöhnliches Leben, Senhor Felsen«, sagte sie, um ihre Verlegenheit zu überspielen.
»Wir hatten damals alle außergewöhnliche Leben«, sagte er und blickte in den nebligen Morgen. »Jeder einfache SS-Mann konnte damals ein außergewöhnliches Leben haben, aber vielleicht war es nicht das Leben, das er sich gewünscht hätte. Ich hatte in Caxias zwanzig Jahre Zeit, darüber nachzudenken, und ich hätte gern ein kleineres, gewöhnlicheres Leben gehabt. Und ich hätte gern weniger zu bedauern.«
»Was bedauern Sie selbst am meisten?«, fragte Luísa.
»Sie sind möglicherweise ein romantischer Typ und denken, es wäre …«, antwortete er und wartete auf Luísas Erwiderung, doch sie sagte nichts. »Vielleicht können Sie mir nach allem, was ich Ihnen erzählt habe, sagen, was ich am meisten bedauern sollte?«
Sie antwortete nicht, und er schien in sich zusammenzusinken.
»Es war nicht Eva. Es war bedauerlich, dass sie mich am Ende verachtet hat, doch das war das Resultat meiner Passivität«, sagte er und kämpfte einen Moment mit seinen Decken.
»Die Tat , die ich am meisten bedauere, ist das, was ich dem englischen Agenten Edward Burton angetan habe. Ich weiß nicht, warum es geschehen ist. Im Laufe der Jahre habe ich versucht, Joaquim Abrantes die Schuld zu geben, dem Alkohol, ja sogar dem holländischen Mädchen, weil sie meine Manschettenknöpfe gestohlen hatte. Doch auch nach zwanzig Jahren in Caxias, in denen ich sonst nicht viel hatte, worüber ich nachdenken konnte, habe ich keinen Grund finden können, sodass ich zu dem Schluss gekommen bin, dass ich von dem Bösen an sich heimgesucht worden bin.
Senhora Madrugada«, sagte er schließlich, »ich bin kein Mann mit großen Zukunftsaussichten.«
Er ließ den Kopf sinken, und wir gingen. In dem Aktenschrank fanden wir Kopien von Dokumenten, die die Herkunft des Goldes belegten. Außerdem enthielt er Fotos von Felsen und Joaquim Abrantes und seiner Familie, darunter auch der junge Manuel.
Luísa setzte mich in Paço de Arcos ab und fuhr weiter nach Lissabon. Ich frühstückte in António Borregos Bar. Wir waren allein.
»Du siehst müde aus, Zé«, sagte er und servierte mir Kaffee und Toast.
»Ich habe eine lange Nacht hinter mir.«
»Du hast nicht vernünftig gegessen.«
»Nein.«
»Vielleicht sollte ich dir was machen.«
»Nein, das hier ist prima.«
»Was hat dich denn die ganze Nacht wach gehalten?«
»Die Arbeit … wie üblich.«
»Ich habe gehört, man hat dein Haus durchsucht und Faustinho verhaftet.«
Ich biss in den Toast und trank einen Schluck Kaffee.
»Unter eine Straßenbahn bist du auch gefallen«, meinte er.
»Gefallen?«
»Ich wollte mich diplomatisch ausdrücken.«
Ich wischte mir geschmolzene Butter vom Kinn.
»Ist die Frau, die dich gerade eben abgesetzt hat, deine neue Freundin?«
»Vor deinen Augen kommt die ganze Welt vorbei, was, António?«, sagte ich. »Du musst gar nicht vor die Tür gehen. Es kommt alles zu dir.«
»Das liegt in der Natur der Sache, wenn man eine Bar betreibt«, sagte er. »Wenn es nur darum ginge, Getränke auszuschenken, würde ich es nicht machen.«
Ich goss mir mehr Kaffee und einen Schuss Milch ein.
»Warst du nicht damals, 1974, auch im Gefängnis von Caxias?«, fragte ich.
»Da kann man mal sehen, was man davon hat, wenn man rausgeht und etwas unternimmt.«
»Hast du je den Namen Felsen gehört? Klaus Felsen?«
»Wir haben von ihm gehört. Er saß wegen Mordes. Die Politischen und die Normalen hatten nicht viel miteinander zu tun. Man hat uns voneinander getrennt gehalten.«
»Und was ist mit einer Frau namens Maria Antónia Médinas?«
Schweigen. Ich blickte von meinem Toast auf. António kniff sich mit geschlossenen Augen in die Nasenwurzel.
»Ich habe gerade überlegt«, sagte er. »War sie eine Politische oder eine Normale?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nichts über sie. Nur den Namen.«
»Sie war jedenfalls nicht im politischen Flügel … das wüsste ich.«
»Hast du noch Freunde, die du fragen kannst?«
»Freunde?«
»Na, dann eben Genossen«, sagte ich, und er lachte.
Als ich nach Hause kam, bürstete sich Olivia gerade
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