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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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wieder aufgetaucht war. Ich sagte ihm, er solle eine Vermisstenanzeige aufgeben; ich würde mich um ihre Bearbeitung kümmern. Ansonsten hatten Carlos und ich planlos und ohne viel Erfolg weiter im Mordfall Xeta ermittelt.
    Um sieben Uhr machte ich mir Kaffee und vernahm ein erstes Gemurmel auf der Straße. Binnen zehn Minuten war die calçada vor dem Haus voller Journalisten und Kameramänner. Ich rief bei der Wache der PSP an und bat sie, ein paar Mann und einen Wagen vorbeizuschicken.
    Um halb acht trat ich auf die Straße und wurde von einem Blitzlichtgewitter und einem Sperrfeuer von Fragen empfangen. Ich sagte nichts, sondern ging zielstrebig zu dem wartenden Streifenwagen, der eine Fahrzeugkolonne zum Gebäude der Polícia Judiciária anführte, wo wir von weiteren Reportern erwartet wurden. Der Streifenwagen setzte mich an einem Hinterausgang ab, und ich ging sofort in Narcisos Büro. Diesmal musste ich nicht warten und wurde von einem ganz anderen Engenheiro Jaime Leal Narciso empfangen.
    Er bat mich, Platz zu nehmen, und setzte sich ebenfalls auf meine Seite des Schreibtischs. Wir rauchten, und die Sekretärin brachte Kaffee. Mit leiser Stimme setzte er Carlos und mich wieder als ermittelnde Beamte in dem Fall ein und erteilte mir die Erlaubnis, Miguel da Costa Rodrigues zur Vernehmung vorzuladen.
    »Sein Haus möchte ich auch durchsuchen«, sagte ich.
    »Ein Durchsuchungsbefehl ist bereits vorbereitet«, erwiderte er.
    Um sieben Uhr fünfundvierzig erhielt Narcisos Büro einen Anruf von Miguel da Costa Rodrigues’ Anwalt, der die Bereitschaft seines Mandanten erklärte, in seiner Begleitung freiwillig zu einer Vernehmung bei der Polícia Judiciária zu erscheinen.
    Um acht Uhr fünfzehn traf Miguel da Costa Rodrigues im Gebäude ein. Sein Anwalt schritt voran und gab eine Erklärung für die Presse ab, in der er die Polícia Judiciária beschuldigte, einen Prozess über die Medien zu führen, und erneut betonte, dass sein Mandant aus freien Stücken gekommen sei. Auf Fragen der Journalisten antwortete er nicht.
    Um acht Uhr fünfundzwanzig klopfte Narciso mir auf den Rücken und ballte aufmunternd eine Faust, mit der er mir helfen wollte, Miguel da Costa Rodrigues zu zerschlagen. Er zog sein Jackett über und begab sich zum Haupteingang, wo er die Erklärung des Anwalts in der Luft zerfetzte, etwa fünfundachtzig Prozent des Ermittlungserfolges für sich verbuchte und mir großzügig die verbliebenen fünfzehn zuschrieb, sodass für Carlos nichts übrig blieb. Er tat das, wofür er bezahlt wurde und was er am besten konnte.
    Um acht Uhr dreißig wurde Miguel da Costa Rodrigues in Vernehmungszimmer drei geführt, das das größte Beobachtungsfenster hatte. Einige der Männer, die sich auf der anderen Seite der Scheibe versammelten, hatte ich noch nie zuvor hier gesehen. Es ging zu wie bei einer Cocktailparty.
    Um acht Uhr zweiunddreißig hatte ich die erforderliche Einleitung auf Band gesprochen. Miguel da Costa Rodrigues ließ durch nichts erkennen, dass wir uns schon einmal begegnet waren. Er sah aus wie ein Mann, der sich seine Geschichte zurechtgelegt hatte und nur von einer Planierraupe dazu zu bewegen sein würde, davon abzuweichen. Er war ein PIDE-Agent, er würde wissen, wie ein Verhör lief. Mein einziger Vorteil bestand darin, dass er möglicherweise noch nicht so oft der Verhörte gewesen war. Er blickte zu dem in die Wand eingelassenen Spiegel. Sein Anwalt setzte sich neben ihn wie ein Jagdfalke – er hatte nur die Fingerspitzen auf die Tischkante gelegt. Zunächst bat ich Senhor Rodrigues, seine Identität klarzustellen, worauf er ruhig eröffnete, dass er Manuel Abrantes sei und seinen Namen lediglich gewechselt habe, um zu vermeiden, dass seine vorherige Tätigkeit ein schlechtes Licht auf die Bank warf. Ich forderte ihn nicht auf, das weiter auszuführen, da ich nicht gleich zu Beginn meiner ersten Vernehmung das eigentliche Thema aus dem Auge verlieren wollte.
    »Senhor Rodrigues«, begann ich, »wo waren Sie am Mittag des 12. Juni um dreizehn Uhr?«
    »Ich war in der Pensão Nuno.«
    »Was haben Sie dort gemacht?«
    »Ich habe drei Personen zugesehen, die sexuell miteinander verkehrten.«
    »Wie?«
    »Ich war im Nebenzimmer und habe sie durch einen eingebauten venezianischen Spiegel beobachtet.«
    »Kannten Sie eine der drei Personen?«
    »Nein.«
    »Hatten Sie eine von ihnen schon einmal gesehen?«
    Er beriet sich mit seinem Anwalt.
    »Das Mädchen hatte ich schon einmal

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