Tod in Lissabon
wohnt. Klaus Felsen, Casa ao Fim do Mundo, Azóia. Siehst du den Zettel dort auf dem Nachttisch? Das ist seine Telefonnummer.«
»Hast du ihn schon angerufen?«
»Ich wusste nicht genau, was ich ihn fragen wollte. Ich dachte, ich müsste noch sehr viel mehr Vorarbeit leisten, bevor ich ein vernünftiges Gespräch mit ihm führen könnte.«
»Und jetzt?«
»Ich denke, wir sollten uns zusammen anhören, was er zu sagen hat.«
»Ah«, sagte ich. »Jetzt verstehe ich.«
»Was?«
»Das ist der Aufmacher für deine neue Zeitschrift, oder?«
»Schon möglich.«
»Nein, nein, nein.«
»Warum nicht?«
»Du hast gesagt – und zwar mehr oder weniger wörtlich: ›In einer Zeitschrift, die ich herausgebe, lässt keiner die Hosen runter.‹ Oder erinnere ich mich da falsch?«
»Das ist deine Seite der Geschichte, für mich geht es darum, dass eine der größten internationalen Banken Portugals direkt mit Nazi-Gold gegründet wurde«, sagte sie. »Du kannst dich um die heruntergelassenen Hosen kümmern … und das dann an meine Story dranhängen.«
»Und du glaubst, Klaus Felsen wird dir alles erzählen … gleich bei eurem ersten Rendezvous?«
»Erst mal müssen wir rausfinden, ob er noch lebt«, sagte sie und wies mit dem Kopf auf den Zettel.
Ich nahm das Telefon und wählte die Nummer. Eine Deutsch sprechende Frau antwortete. Ich fragte nach Klaus Felsen.
»Er schläft«, sagte sie.
»Wann ist er am besten zu sprechen?«
»Worum geht es denn?«
»Die Banco de Oceano e Rocha.«
Schweigen.
»Und wer sind Sie?«
»Ich bin Inspektor bei der Polícia Judiciária in Lissabon und untersuche den Mord an einem jungen Mädchen. Ich glaube, dass Senhor Felsen uns bei unseren Ermittlungen behilflich sein könnte.«
»Ich werde ihn fragen. Aber Sie müssen wissen, dass er sich an keinerlei geregelten Rhythmus hält, manchmal wacht er mitten in der Nacht auf, dann wieder am späten Vormittag, und bisweilen schläft er ganz durch. Wenn er sich einverstanden erklärt, Sie zu empfangen, müssen Sie kommen, wann ich es Ihnen sage.«
Ich gab ihr Luísas Telefonnummer und legte auf. Dann rannte ich nackt im Zimmer auf und ab und kaute auf meinem Daumennagel. Luísa rauchte und blies den Qualm an die Decke. Ich rief Olivia auf ihrem Handy an und sagte, dass es spät werden könnte und ich vielleicht auch gar nicht nach Hause kommen würde, weshalb sie bei meiner Schwester essen sollte.
»Mach dir um mich keine Sorgen«, sagte sie.
»Bist du in einem Auto?«, fragte ich, als die Verbindung plötzlich durch Rauschen unterbrochen wurde.
»Ich bin mit Sofia und ihrer Mutter unterwegs. Wir fahren zurück nach Cascais. Sie haben mich zum Essen eingeladen, und ich übernachte auch dort. Okay?«
»Nein.«
»Was? Ich kann dich nicht hören.«
»Nein, das ist nicht okay«, sagte ich.
»Warum … kann … bitte … Scheißding … hö …«
»Ich möchte, dass du nach Hause gehst.«
»Aber du hast doch gerade gesagt, dass du vielleicht gar nicht kommst.«
»Ich weiß, was ich gerade gesagt habe.«
»Dann sei doch nicht so blöd. Warum sollte ich zurück …«
»Deshalb …«
»Ich kann dich nicht hören.«
»Olivia.«
»Die Verbindung ist gleich weg … tschüs.«
Danach war die Leitung tot.
»Ärger?«, fragte Luísa.
Ich hatte das Telefon noch in der Hand, als es erneut klingelte, und ich riss den Hörer ans Ohr.
»Olivia.«
»Inspektor Coelho?«, fragte eine Stimme mit deutschem Akzent.
»Am Apparat«, sagte ich.
»Herr Felsen steht Ihnen jetzt zur Verfügung. Er wird mit Ihnen sprechen. Kennen Sie das Haus?«
»Nein.«
»Es ist das letzte Haus Portugals. Kurz vor dem Leuchtturm.«
»Die Fahrt könnte bis zu einer Stunde dauern.«
»Kommen Sie, so schnell Sie können.«
Wir duschten gemeinsam und zogen uns an. Ich versuchte erneut, Olivia auf ihrem Handy zu erreichen, doch sie hatte es abgeschaltet. Luísa sagte, ich solle mir keine Sorgen machen, es würde schon nichts passieren, doch die Anspannung kroch in meine Schultern, bis sie steinhart waren. Möglicherweise verbrachte meine Tochter die Nacht im Haus eines Mörders, eines Mädchenmörders.
Luísa fuhr und versuchte mich zu beruhigen. Ich saß mit ihrem Laptop und ihrer Kamera auf dem Schoß neben ihr und unterdrückte meine Panik. Was sollten wir auch tun? Jedes Restaurant von Cascais abklappern? Ich wusste nicht mal, wo das Wochenendhaus der Rodrigues’ in Cascais war, und als ich im Telefonbuch nachsah, fand ich unter seinem Namen keinen
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