Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
Vom Netzwerk:
sich rülpsend auf. »Was bedeutet die Niederlage in einer großen Luftschlacht?«
    »Aber Berlin ist seit fast zwei Monaten nicht mehr bombardiert worden.«
    »Mein Gott, die Berliner«, seufzte Lehrer verzweifelt, »sogar die Neu-Berliner, glauben Sie mir, Mann, wir haben sie verloren. Und nun sagen Sie mir, was das heißt.«
    »Wenn das stimmt, sind wir ungeschützt.«
    »Im Westen und in der Luft.«
    »Das heißt, wenn wir noch eine Ostfront …«
    »Das genügt. Ich denke, Sie haben etwas begriffen.«
    »Wer ist schon England?«, sagte Felsen. »Mit dem Kanal dazwischen sind sie keine Bedrohung.«
    »Ich will ja nicht defätistisch sein«, erwiderte Lehrer, »bestimmt nicht. Aber hören Sie mir zu. Wir haben sie in Dünkirchen davonkommen lassen. Wenn wir sie am Strand zerrieben hätten, würden wir heute in London speisen und müssten uns keine Sorgen machen. Aber die Engländer sind hartnäckig. Und sie haben einen Freund auf der anderen Seite des Atlantiks, die größte Wirtschaftsmacht der Welt. Das glaubt der Führer zwar nicht, aber es ist wahr.«
    »Vielleicht tun wir uns alle zusammen und zerschlagen die Bolschewiken.«
    »Das ist eine hoffnungsvolle Lesart der Lage. Hier ist eine andere«, sagte Lehrer, stellte sein Glas ab und steckte die Zigarre zwischen die Zähne. Er schlug mit der linken Hand auf den Tisch. »Die Vereinigten Staaten und England.« Er nahm seine Zigarre in die Linke, legte seine Rechte auf die Platte und flüsterte: »Russland.« Dann schob er seine Hände zusammen. »Und alles, was übrig bleibt, ist eine dünne Leberwurst in der Mitte.«
    »Das ist absolut und vollkommen fantastisch«, sagte Felsen. »Sie vergessen …«
    Lehrer lachte. »Das ist die Sache mit der Aufklärung. Man erfährt nicht immer das, was man hören will.«
    »Aber glauben Sie das?«
    »Natürlich nicht. Es ist bloß ein Gedanke. Belasten Sie sich nicht damit. Wir werden gewinnen, und Sie werden in einer perfekten Ausgangsposition sein, einer der mächtigsten Geschäftsmänner der Iberischen Halbinsel zu werden. Es sei denn, ich habe Sie falsch eingeschätzt, und Sie sind ein kompletter Idiot.«
    »Und wenn wir verlieren, was, wie Sie angedeutet haben, durchaus möglich ist?«
    »Wenn Sie in Berlin sind und auf die Berliner hören, werden Sie Matsch am Boden eines Bombenkraters sein. Aber dort draußen am Rande des Kontinents werden Sie weit weg von der Katastrophe sein …«
    »Dann habe ich allen Grund, mich bei Ihnen dafür zu bedanken, dass Sie mich für diesen Auftrag zwangsrekrutiert haben, Herr Gruppenführer.«
    Lehrer hob sein Glas und sagte: »Wohlsein.«
    Sie hatten gut eine halbe Flasche Cognac geleert, und Lehrer atmete tief ein, bevor er sich auf den Rücksitz des Mercedes fallen und den Kopf auf die Brust sacken ließ. Felsen versuchte ihr Gespräch zu rekonstruieren, während er dem pfeifenden Atem seines Nachbarn lauschte, doch es war, als würde man ein Puzzle zusammensetzen, das aus zu viel Himmel bestand, und schon bald war auch sein Kopf auf das Lederpolster gesunken.
    Auf dem Bundesplatz im Zentrum von Bern wachten sie auf. Lehrer war erschöpft und äußerst gereizt. Sie kamen am Parlament und der Schweizerischen Nationalbank vorbei, bevor sie in eine Seitenstraße einbogen und vor dem Hotel Schweizerhof hielten. Zwei Pagen und ein Portier eilten heraus.
    Ihre Zimmer lagen auf unterschiedlichen Stockwerken, und im Fahrstuhl erklärte Lehrer Felsen, dass er selbst am Abend noch etwas Geschäftliches zu erledigen hätte, sodass Felsen den Abend zur freien Verfügung hätte.
    »Sie müssen das hier lesen«, sagte er und gab ihm eine Mappe aus seinem Aktenkoffer.
    »Was ist das?«
    »Ihre Befehle. Ich fliege morgen früh zurück nach Berlin. Vielleicht haben Sie noch Fragen. Bereiten Sie sich vor. Gute Nacht.«
    Felsen ließ sich ein Bad einlaufen und blätterte durch die Befehle, die mit einem 8-Uhr-Termin in der Schweizerischen Nationalbank begannen. Er ließ sich in der Wanne durchweichen, fühlte sich aber immer noch matt vom Mittagessen. Er trocknete sich ab, kleidete sich wieder an und ging hinaus in die eisigen Temperaturen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Eine Kneipe in der Nähe des Bahnhofs wirkte warm und einladend, und unter den Gästen entdeckte er Lehrers Fahrer.
    Er bestellte zwei Bier und setzte sich zu ihm.
    »Ich beneide Sie«, sagte Felsen und stieß mit ihm an. »Sie sind morgen Abend zurück in Berlin.«
    »Wohl kaum.«
    »Sie haben den ganzen Tag, und wenn Sie

Weitere Kostenlose Bücher