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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Zunge keine geschätzte nationalsozialistische Tugend ist.«
    Kurz darauf gingen sie zu Bett, Felsen war übel, er hatte das Gefühl, ausgetrickst worden zu sein. Er lag auf seinem Bett, starrte an die Decke und rauchte, während er darüber nachdachte, wie Eva ihn abserviert hatte, wie aalglatt sie ihn in die Falle gelockt hatte.
    »Nun denn«, sagte er laut, drückte seine letzte Zigarette in dem Aschenbecher auf seiner Brust aus, »sie ist nur eine mehr in einer langen Reihe.«
    Er brauchte zwei Stunden, bis er endlich einschlafen konnte. Ein Bild und ein Gedanke wollten sich nicht aus seinem Kopf verdrängen lassen. Er sah die nackten Füße und Knöchel seines Vaters, die in Augenhöhe gleichmäßig hin und her pendelten. Warum hatte er Schuhe und Socken ausgezogen?
     
     
    27. Februar 1941
     
    Zum Frühstück trugen sie Anzüge. Lehrer hatte einen dunkelblauen Einreiher aus schwerer Wolle, sodass Felsen sich in seinem modischen schokoladenbraunen Pariser Zweireiher und der roten Krawatte fast geckenhaft vorkam.
    »Teuer?«, fragte Lehrer, den Mund voll Schwarzbrot und Schinken.
    »Jedenfalls nicht billig.«
    »Bankiers glauben Ihnen nur, wenn Sie Dunkelblau tragen.«
    »Bankiers?«
    »Die Bankiers von Basel. Was haben Sie geglaubt, wen wir in der Schweiz treffen? Mit Spielmarken können Sie kein Wolfram kaufen.«
    »Genauso wenig wie mit Reichsmark offenbar.«
    »In der Tat.«
    »Wohingegen Schweizer Franken … Dollars …«
    »Dr. Salazar war Professor für Wirtschaftswissenschaft.«
    »Und das berechtigt ihn, anders bezahlt zu werden als alle anderen?«
    »Nein. Es bestärkt ihn lediglich, dass es in Kriegszeiten das Beste ist, über eine große Goldreserve zu verfügen.«
    »Sie schicken mich mit einer Ladung Gold nach Portugal?«
    »Ein neues Problem deutet sich an. Die Amerikaner machen uns den Erwerb von Dollars schwer, sodass wir damit begonnen haben, alles, was wir haben wollen, in Schweizer Franken zu bezahlen. Unsere Lieferanten in Portugal tauschen diese Schweizer Franken in Escudos. Auf dem Weg über lokale portugiesische Banken gelangen diese Franken irgendwann an die Banco de Portugal, und wenn sich genügend Franken angesammelt haben, wird damit in der Schweiz Gold gekauft.«
    »Und wo ist das Problem?«
    »Die Schweizer mögen es nicht. Sie machen sich Sorgen, die Kontrolle über ihre Goldreserven zu verlieren«, sagte Lehrer. »Deshalb experimentieren wir.«
    »Wie transportieren wir dieses Gold?«
    »Mit LKWs.«
    »Was für LKWs?«
    »Schweizer LKWs. Sie werden auf dem ganzen Weg von bewaffneten Soldaten begleitet, was einige Organisation erfordert hat, das kann ich Ihnen sagen. Sie glauben doch nicht, ich würde zum Spaß den ganzen Tag über an meinem Aktenkoffer hängen?«
    »Mir war nicht klar, dass das Gold real bewegt werden soll. Ich dachte, die Nationalbanken würden den Bestand lediglich schriftlich bestätigen.«
    »Vielleicht sitzt Dr. Salazar gern … buchstäblich … auf seinem Gold«, sagte Lehrer und ließ den Rest seines Gedankens unausgesprochen.
    »Wessen Gold ist es?«
    »Ich verstehe Ihre Frage nicht?«
    »Wird das deutsche Gold nicht in der Reichsbank aufbewahrt?«
    »Da fragen Sie mich etwas, das ich nicht … also das übersteigt mein Wissen und meine … Autorität. Ich bin schließlich nur ein SS-Gruppenführer.«
     
    Um elf Uhr hielten sie vor einem unscheinbaren Gebäude im Baseler Geschäftsviertel. Nichts an der Fassade ließ Rückschlüsse auf die Aktivitäten in seinem Innern zu. Eine attraktive Frau Mitte dreißig saß an einem Tisch mit einem einzigen Telefon. In ihrem Rücken befand sich eine marmorne Wendeltreppe. Lehrer redete leise mit der Frau, sodass Felsen nur ein einziges Wort verstand – »Puhl«. Die Frau nahm den Hörer ab, wählte und sprach kurz. Dann stand sie auf und stieg auf kräftigen Beinen die Treppe hinauf. Lehrer befahl Felsen zu warten und folgte den Beinen.
    Felsen saß in einem dick gepolsterten Ledersessel. Die Frau kam zurück und setzte sich an ihren Tisch, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Sie faltete die Hände und wartete auf den nächsten Höhepunkt des Tages. Felsen brauchte eine halbe Stunde und mehrere Kubikmeter Charme, um herauszubekommen, dass er sich im Foyer der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich befand. Der Name sagte ihm nichts.
     
    Um ein Uhr saßen Felsen und Lehrer an einem Tisch in einem Restaurant namens Bruderholz. An den in gemessenem Abstand voneinander platzierten Tischen speisten

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