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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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ich daraus geschlossen, dass Sie nach jemandem suchen, der die Kleine zwischen fünf und sechs Uhr gestern Nachmittag ermordet hat, was jedoch, wie Inspektor Coelho weiß, keine wissenschaftlich exakte Angabe ist.«
    »Sonst noch was?«, fragte ich.
    »Keine Spuren unter den Fingernägeln. Sie war ein nervöser Mensch, von den Nägeln war kaum etwas übrig. Der Nagel des Zeigefingers der rechten Hand war eingerissen und blutig … wenn das irgendwie weiterhilft.«
    Fernanda ging, begleitet von den beiden Sanitätern, die mit der Leiche in dem Sack die Treppe zur Hafenmauer hinaufstolperten. Ich bat die Beamten von der PSP, den Parkplatz abzusuchen und dann mit einer Einheit die Avenida Marginal hinunter Richtung Cascais bis zum nächsten Kiefernwäldchen zu fahren. Ich suchte Kleider und einen schweren Metallgegenstand oder ein Werkzeug.
    »Und was denken Sie, Agente Pinto?«, sagte ich.
    »In irgendeinem Kiefernwäldchen bewusstlos geschlagen, entkleidet, vergewaltigt, erwürgt, in einen Wagen geworfen, der die Avenida Marginal hinuntergefahren ist, aus Richtung Cascais kommend, weil man nur so auf dem kleinen Parkplatz landet, und schließlich von der Hafenmauer geworfen.«
    »Okay, aber Fernanda sagt, dass es keine gewaltsame Penetration gegeben hat.«
    »Sie war bewusstlos.«
    »Wenn ihr Mörder nicht so vorausschauend war, ein Gleitmittel und ein Kondom mitzubringen, müsste es Spuren geben … Abschürfungen, Blutergüsse und so was.«
    »Würde ein Vergewaltiger an so was nicht denken?«
    »Er schlägt das Mädchen so heftig von hinten, dass sie vornüber gegen einen Baum fällt und an dem Schlag auch gestorben wäre, doch er erwürgt sie sicherheitshalber noch. Mein Instinkt sagt mir, dass er eher vorhatte, sie zu töten als sie zu vergewaltigen, aber vielleicht irre ich mich … Wir wollen abwarten, was in Fernandas Laborbericht steht.«
    »Ob nun ermordet oder vergewaltigt, sie sind jedenfalls ein ziemliches Risiko eingegangen.«
    »Sie? Interessant.«
    »Ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe …. Fünfundfünfzig Kilo sind so viel ja auch nicht.«
    »Aber Sie haben Recht. Warum wurde die Leiche hier deponiert? Vor den Augen der gesamten Avenida Marginal, auf der die ganze Nacht Autos fahren, auch wenn dieser Teil nicht besonders gut beleuchtet ist …«
    »Ein Einheimischer?«, fragte Carlos.
    »Sie ist jedenfalls nicht von hier. Kontaktadressen für Catarina Oliveira sind Lissabon und Cascais. Und was heißt schon einheimisch? Im Umkreis von einem Kilometer lebt eine Viertel Million Menschen. Aber wenn sie hierher gekommen ist und irgendein Arschloch getroffen hat, warum hat er sie erst unter Kiefern ermordet und die Leiche dann am Strand deponiert? Warum sollte der Mörder sie in einem der vielen Kiefernwäldchen im Großraum Lissabon ermorden und sie dann ausgerechnet hierher bringen?«
    »Ist es vielleicht von Belang, dass Sie hier leben?«
    »Vermutlich wissen Sie auch nicht, warum Sie das jetzt gesagt haben.«
    »Möglicherweise, weil Sie es gedacht haben.«
    »Meine Gedanken können Sie auch lesen … und alles am ersten Tag?«
    »Vielleicht offenbaren Sie mehr von sich, seit Ihr Bart ab ist.«
    »Für von der Backe abgelesen ist das aber eine ziemlich kühne Idee, Agente Pinto.«

6
    Samstag, der 13. Juni 199–,
    Paço de Arcos bei Lissabon
     
    Wir suchten die Werft neben dem Hafen ab und fanden nichts, also gingen wir durch die Unterführung der Avenida Marginal und redeten mit den Leuten, die das Chaos im Bombeiros-Voluntarios-Zelt, einem Zelt der Freiwilligen Feuerwehr, aufräumten, doch niemand hatte in der Nachtschicht gearbeitet. Das Café-Restaurant im Park war geschlossen. Wir gingen zu dem Kiefernwäldchen, um zu sehen, wie die PSP-Leute vorankamen. Sie präsentierten die übliche Sammlung benutzter Kondome, Spritzen und vergilbter und zerfetzter Pornoheftchen. In dieser Gegend gab es keine unschuldigen Kiefernhaine. Ich sagte ihnen, sie sollten alles einpacken und zu Fernanda ins gerichtsmedizinische Institut in Lissabon schicken. Carlos und ich gingen zurück zu António, aßen Toast und tranken noch mehr Kaffee.
    Um acht Uhr dreißig versuchte ich Dr. Aquilino Dias Oliveira anzurufen, von dem ich annahm, dass er der Vater des Mädchens und angesichts seiner beiden Adressen in Lissabon und Cascais nicht im gleichen Maße in den finanziellen Überlebenskampf verwickelt war wie unsereiner. Da es Samstag war, probierte ich zuerst die Nummer in Cascais und glaubte bereits, ich hätte

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