Tod in Lissabon
Morgen das Herz von ein paar Millionen Portugiesen mit einem Adrenalinschub versorgt.
Er beobachtete, wie die schwarzbraune Mischung in die Tassen sickerte. António stellte die Kaffeemühle ab, und das Kratzen auf meinen Lidern ließ nach.
Der junge Mann schüttete zwei Tütchen Zucker in seinen Kaffee und verlangte ein drittes. Ich warf ihm eins von meinen rüber, das er ebenfalls in die Brühe kippte, bevor er sie langsam zu einer Art Sirup verrührte.
»Sie müssen Inspektor Senhor Doutor José Afonso Coelho sein«, sagte er, sah jedoch nicht mich an, sondern betrachtete Hammer und Sichel hinter der Bar, Antónios Reliquien.
»Engenheiro Narciso wird zufrieden sein«, sagte ich und drehte mich in der leeren Bar um. »Wie haben Sie das erraten?«
Sein Kopf schnellte herum. Er musste Mitte zwanzig sein, sah aber keinen Tag älter als sechzehn aus. Seine dunklen Augen suchten meine. Er war irritiert.
»Sie sehen verletzlich aus«, sagte er und nickte.
António zog die Brauen hoch.
»Eine interessante Beobachtung, Agente Pinto«, sagte ich grimmig. »Die meisten Leute hätten etwas über meine blassen Wangen gesagt. Und Sie müssen mich auch nicht doutor nennen. Ich habe nämlich gar keinen Doktortitel.«
»Ich dachte, Sie hätten einen Abschluss in Fremdsprachen.«
»Aber von einer Londoner Universität, und dort wird man erst Doktor genannt, wenn man seine Dissertation abgeschlossen hat. Nennen Sie mich einfach Zé oder Inspektor.«
Wir gaben uns die Hand. Ich mochte ihn. Ich wusste nicht, warum ich ihn mochte. Narciso glaubte, ich möge jeden, doch das verwechselte er mit »mit Leuten auskommen«, was er selbst nicht schaffte, weil er kälter und dickhäutiger war als ein Hai, der Blut gewittert hat. Tatsache war, dass ich nur eine einzige Frau geliebt hatte, und die Zahl der Menschen, die mir wirklich nahe standen, war immer noch einstellig. Und jetzt Carlos. Was an ihm war es? Dieser Anzug? Zu alt, zu groß und Wolle im Sommer, das sagte: uneitel und arm. Sein Haar? Schwarz, kräftig, widerspenstig und soldatisch kurz sagte – zumindest mir -: ernst und verlässlich. Sein leicht verärgerter Blick sagte: trotzig und empfindlich. Seine ersten Worte? Direkt, offen und aufmerksam sagten sie: kompromisslos. Eine schwierige Mischung für einen Polizisten. Ich begriff, warum ihn sonst niemand haben wollte.
»Das mit London wusste ich nicht«, sagte er.
»Mein Vater war dort«, erklärte ich. »Und was wissen Sie über mich?«
»Ihr Vater war Offizier bei der Armee. Sie haben viel Zeit in Afrika verbracht. In Guinea. Sie sind seit siebzehn Jahren bei der Polizei, acht davon bei der Mordkommission.«
»Haben Sie sich Zugang zu meiner Akte verschafft?«
»Nein. Ich habe Engenheiro Narciso gefragt. Er hat mir allerdings nicht alles verraten«, fügte er hinzu und schlürfte seinen dickflüssigen Kaffee. »Er hat mir zum Beispiel nicht gesagt, welchen Rang Ihr Vater hatte.«
António ließ die Brauen wieder sinken, und in seinen tief liegenden Augenhöhlen blitzte ein Funke Partisaneninteresse auf. Eine politische Frage: War mein Vater einer der jüngeren Offiziere, die die Revolution von 1974 angezettelt hatten, oder war er ein Vertreter der alten Garde? Beide Männer warteten.
»Mein Vater war Oberst«, sagte ich.
»Und wie ist er in London gelandet?«
»Fragen Sie ihn«, sagte ich, unwillig, mich auf das Thema einzulassen, und wies mit dem Kopf auf António.
»Wie viel Zeit haben Sie?«, fragte der und packte den Tresen mit beiden Händen.
»Gar keine«, sagte ich. »Am Strand wartet eine Leiche auf uns.«
Wir gingen durch den Park bis zur Avenida Marginal und durch eine Unterführung zu einem kleinen Parkplatz vor dem Clube Desportivo de Paço de Arcos. Über den zwischen verrosteten Anhängern und Mülleimern auf der Seite liegenden oder auf Reifen aufgebockten Booten hing der Geruch von Stockfisch und Diesel. In einer halbierten Öltonne brannten zwei Holzplanken, um eine Pfanne mit Öl zu erhitzen. Ein paar Fischer, die ich kannte, ignorierten die Szenerie und hantierten vor ihren Wellblechschuppen zwischen Markierungsbojen und Töpfen mit Krebsen und Hummern herum. Ich nickte, und sie blickten zu der Menge, die sich trotz der frühen Stunde bereits versammelt hatte.
Die Menschenschlange, die sich entlang der flachen Steinmauer am Rand des Strandes sowie auf der Hafenmauer gebildet hatte, starrte auf den Sand. Breitschultrige Arbeiterinnen hatten eine Pause genommen, um die Tragödie zu
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