Tod in Lissabon
»Teresa, die Keyboarderin, bumst irgendeinen Typen, der Saxofon spielt, und jetzt meint sie plötzlich, wir bräuchten einen Saxofonisten. Sie findet, wir sollten mehr Instrumentalnummern machen.«
»Also weniger auf die Lead-Sängerin konzentrieren?«, fragte Carlos.
Valentim wollte von mir eine zweite Meinung hören.
»Da kann ich dir auch nicht weiterhelfen«, sagte ich. »In meinem Leben ist seit Pink Floyd nichts Neues mehr passiert.«
»Wie musikalisch waren diese Differenzen wirklich?«, fragte Carlos. »Und was ist mit Bruno, was spielt er?«
»Bass«, antwortete Valentim, ohne auf den ersten Teil der Frage einzugehen.
»War von euch beiden einer mit Catarina zusammen?«, fragte ich.
»Zusammen?«
»Hat einer sie gebumst?«, fragte Carlos, der seinen aktiven Wortschatz ständig erweiterte.
»Wir hatten eine ›Keine Beziehung‹-Abmachung in der Band.«
»Der Saxofonist hatte also keine Chance.«
»Wohl nicht.«
»Wo hat dieses Treffen denn stattgefunden?«
»In einer Bar namens Toca . Das ist im Bairro Alto.«
»Und danach hast du sie nicht mehr gesehen – weder Donnerstag noch Freitag?«
»Nein.«
»Weißt du, was sie gestern vorhatte?«
»Sie ist zur Schule gegangen, oder?«
»Wo warst du?«
»In der Biblioteca Nacional … den ganzen Tag … bis sieben, halb acht.« Ich gab ihm meine Karte und sagte ihm, er solle mich anrufen, wenn ihm noch etwas einfiele. Valentims Mutter spähte aus der Küche in den Flur, als wir aus dem Zimmer kamen. Ich wünschte ihr einen guten Tag, und sofort tauchte die Zecke an ihrer Schulter auf.
»Wo war Valentim gestern?«, fragte ich.
»Er war den ganzen Tag und die halbe Nacht nicht zu Hause«, sagte die Zecke. »Er ist erst um drei Uhr morgens heimgekommen.«
Die Frau wirkte verzweifelt hinter ihrem frisch aufgelegten Make-up. Die Zecke wollte, dass wir den Jungen am besten gleich mitnahmen. Wir verließen das Gebäude und stiegen in den Wagen, der zu heiß war, um ihn anzufassen. Ich zündete eine Zigarette an und drückte sie nach zwei Zügen wieder aus.
»Er lügt«, sagte Carlos. »Er hat sie getroffen.«
»Kommen Sie, jetzt unterhalten wir uns mit der Keyboarderin.«
»Kriegt man in diesem Job kein Mittagessen?«
»Englischen Lunch.«
»Das hört sich für mich aber gar nicht gut an.«
»Natürlich nicht. Sie sind Portugiese.«
»Man sagt …«, begann er zögernd.
»Was sagt man ?«
»Man sagt, Sie wären mit einer Engländerin verheiratet gewesen.«
»Sollte Ihnen das irgendetwas erklären?«
»Ich glaube, ich war überrascht, als Sie eben Pink Floyd erwähnt haben.«
»In den Siebzigerjahren war ich in England.«
Er nickte.
»Was hat man denn sonst noch gesagt?«, fragte ich, überrascht, dass sich irgendjemand die Mühe machte, hinter meinem Rücken über mich zu reden.
»Man hat gesagt, Sie wären nicht … normal.«
»Was denken Sie, warum man Sie mir zugeteilt hat?«, fragte ich. »Alle Sonderlinge in eine Ecke?«
»Ich bin kein Sonderling.«
»Bloß langweilig … Sie haben noch immer kein Wort über Mädchen, Autos oder Fußball verloren. Sie sind siebenundzwanzig. Sie sind Polizist. Sie sind Portugiese. Was glauben Sie, was man daraus macht?«
»Sporting«, sagte er, um mich zufrieden zu stellen.
»Gute Mannschaft.«
»Ich kann mir kein Auto leisten.«
»Darum geht es nicht.«
»Ich habe mal in einer Werkstatt gearbeitet. Ich kenne mich nur mit alten Autos aus, die nicht funktionieren. Alfa Romeos gefallen mir.«
»Und Mädchen?«
»Ich habe keine Freundin.«
»Darum geht es auch nicht. Sind Sie schwul?«
Man hätte meinen können, ich hätte ihm einen angespitzten Schraubenzieher zwischen die Rippen gestoßen.
»Nein«, sagte er, tödlich verletzt.
»Hätten Sie es mir gesagt, wenn Sie es wären?«
»Ich bin nicht schwul.«
»Glauben Sie, irgendwelche Kollegen von uns reden so miteinander?«
Er sah aus dem Fenster.
»Deswegen hat man uns zusammengespannt«, sagte ich. »Wir sind die Außenseiter, wir sind seltsam.«
14
Samstag, 13. Juni 199–,
Telheiras, Lissabon, Portugal
Wir aßen bifanas , ein Sandwich mit einer warmen Scheibe Schweineschnitzel – eine anglo-portugiesische Mittagslösung. Ich lockerte Carlos mit ein paar Frotzeleien wieder auf. Wir bestellten Kaffee, und ich gab ihm wortlos meinen Zucker. Er fragte mich nach meiner Frau – was sonst nie jemand tat. Er fragte mich, wie es war, mit einer Engländerin verheiratet zu sein.
»Was ist der Unterschied, meinen Sie?«, fragte
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