Tod in Lissabon
Analverkehr vorschlagen …«
»Ich hatte keinen Analverkehr mit ihr!«, brüllte er.
»… würdest du es nicht durchziehen, oder? Als Psychologiestudent wüsstest du, dass das kein normales Verhalten ist. Wenn du ein netter Mensch wärst, würdest du dem Mädchen helfen. Mit ihren Eltern sprechen, ihr eine Therapie vermitteln. Aber du bist kein netter Mensch, stimmt’s, Valentim? Du bist ein Stück Scheiße. Du siehst so jemanden an und denkst: Das kann ich gebrauchen . Das kann ich missbrauchen … und dann fühle ich mich besser.«
»Und alles, weil ich nicht gesagt habe, dass ich meine Mutter liebe … Sie sind ein Extremist, Inspektor. Sie sind ein Scheiß-Extremist.«
»Aber deswegen hast du doch das kleine Rendezvous gestern Nachmittag arrangiert, oder nicht, Valentim? Um Catarina auf dein eigenes Niveau runterzuziehen, sie in deinen Sumpf zu locken. Jetzt muss ich nur noch herausfinden, ob du das Ganze noch einen Schritt weiter treiben und das Mädchen umbringen wolltest.«
»Da haben Sie aber eine Menge Arbeit vor sich.«
»In der Zwischenzeit kannst du das Wochenende in den tacos verbringen … vielleicht hilft das deinem Gedächtnis auf die Sprünge. Und ich besorge mir einen Durchsuchungsbefehl für dein Zimmer.«
Valentim fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nase und schlenkerte den Schweiß von den Fingern. Er schüttelte den Kopf, und ich sah, dass er sich Sorgen machte, aber nicht wegen ein paar Nächten in den tacos.
16
Samstag, 13. Juni 199–,
Pensão Nuno, Rua da Glória, Lissabon, Portugal
Ein Polizeiwagen kam und holte Valentim ab. Ich schickte Carlos mit, damit er anfangen konnte, sich um den Durchsuchungsbefehl zu kümmern. Jorge riss die Zellophanverpackung seiner vermutlich dritten Schachtel an diesem Tag auf. Ich zückte ein Foto von Catarina.
»Sind Sie immer noch nicht fertig?«, fragte er und zündete sich eine Zigarette an.
»Haben Sie in letzter Zeit stark abgenommen, Jorge?«
»Ich war krank. Die haben gedacht, ich hätte Lungenkrebs.«
»Was war es denn?«
»Bloß eine Brustfellentzündung.«
»Trotzdem gut, so abzuspecken.«
»Sie müssen nicht nett zu mir sein. Das ist sonst auch niemand.«
»Sie kennen sich mit Menschen aus, was, Jorge?«
»An diesem Tresen ist schon die ganze Welt vorbeigekommen.«
»Haben Sie schon immer in diesem Job gearbeitet?«
»Wahrscheinlich.«
»Je gesessen?«
»Wenn ja, liegt es noch weiter zurück als meine Erinnerung daran, ob ich diesen Job mein ganzes Leben gemacht habe.«
»Sie müssen ja ein legendäres Gedächtnis haben.«
»Ich habe ein ganzes Zimmer voller Urkunden und Belobigungen deswegen«, sagte er. »Sie sollten irgendwann mal vorbeikommen, wenn ich nicht so beschäftigt bin, dann zeige ich sie Ihnen.«
»Erinnern Sie sich an dieses Mädchen?«, fragte ich und legte das Foto auf den Tresen. »Sie war am Freitagmittag mit diesem Jungen und einem anderen hier.«
Jorges Augen wurden eher noch wässriger. Er würdigte das Bild kaum eines Blickes.
»Hören Sie, Inspektor, ich habe einen Ruf zu wahren. Wenn durchsickert, dass meine spezielle Hirnkrankheit sich gebessert hat und ich bei einer Quiz-Show der Polícia Judiciária aufgetreten bin, habe ich ein leeres Haus.«
»Noch leerer als jetzt?«, fragte ich. »Es ist schließlich nicht so, als würden die Böden beben.«
»Sie verstehen, was ich meine.«
»Vielleicht sollte die Gewerbeaufsicht mal wieder vorbeischauen.«
»Warum ist es so wichtig, dass ich mich erinnere?«
»Fünf Stunden, nachdem sie dieses Gebäude verlassen hatte, war sie tot. Ermordet.«
Für einen Moment schienen Jorges Augenbrauen über seine Stirn hinausschießen zu wollen.
»Hier in Lissabon?«
»Schon möglich. Ihre Leiche wurde an einem Strand in Paço de Arcos deponiert.«
Er nickte und strich mit dem Handrücken über seine kratzenden Bartstoppeln.
»Sie war Freitagmittag hier. Das wissen Sie bestimmt schon, wenn Sie mit dem Jungen geredet haben. Es war noch ein anderer dabei … ein Student.«
»Woher wissen Sie das?«
»Dies ist das Tor zum Himmel, Inspektor. Die ganze Welt tritt vor mich … sogar Polizisten.«
»Kann ich mal Ihr Telefon benutzen?«
Ich wählte die Nummer von Catarinas Lehrerin. Sie nahm so prompt ab, als hätte sie auf meinen Anruf gewartet. Ich verabredete mich für eine Stunde später mit ihr. Als ich wieder Richtung Treppe ging, spürte ich Jorges Blick im Rücken. Nach zwei Stufen blieb ich stehen und hörte ihn seufzen.
»Das
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