Tod in Lissabon
Donnerstagmorgen halten musste.«
»Und Valentim und Catarina?«
»Ich habe mich in der Bar, dem Toca im Bairro Alto, von ihnen verabschiedet.«
Wir gingen zur Treppe, und ich sagte ihm, er könne gehen, solle aber noch fünf Minuten warten. Carlos und ich fuhren mit Valentim zur Pensão Nuno in der Rua da Glória, einer engen Straße zwischen der Praça da Alegria und dem Elevador da Gloria in der Nähe der Metro-Station Restauradores. Um diese Zeit standen nicht viele Nutten auf den Straßen. Ein paar ältere, traurige Huren blickten hinter den Fenstern der Bars von ihrem Kaffee auf. Valentims Gesicht im Rückspiegel sah aus wie frisch gegossen, fest und hart.
Die Rezeption befand sich im zweiten Stock eines vierstöckigen Gebäudes aus dem 19. Jahrhundert, dessen Fassade bis zum Balkon im ersten Stock gekachelt war. Die Treppe war aus Holz, breit und staubig mit einem blauen Linoleumstreifen in der Mitte. Hinter dem Empfangstresen stand ein Mann Mitte sechzig, der eine Zeitung vor sich und einen Finger auf der Zunge hatte. Eine Neonröhre über seinem ergrauten Haupt beleuchtete Spinnenweben und anderen Schmutz. Der Portier war unrasiert und rauchte abwesend eine Zigarette. Er sah aus, als wäre er einmal fett gewesen und hätte dann wieder abgespeckt, sodass die nutzlosen Hautfalten jetzt in seinem Hemd herumschwabbelten.
Er sah uns an, und ich erkannte an seinem Blick, dass er wusste, dass er zwei Polizisten und einem Verdächtigen gegenüberstand.
Er richtete sich auf, schob eine Hand unter die Achselhöhle und strich mit dem Daumennagel der anderen über die Bartstoppeln unter seiner Unterlippe. Er kniff die Augen zu, um sie gegen den aufsteigenden Rauch seiner Zigarette zu schützen. Seine Haut war von einem Grau, das aussah, als wäre es durch eine vorherige Arbeit, zum Beispiel im Bergbau, imprägniert worden.
»Sind Sie Nuno?«, fragte ich.
»Nuno ist tot.«
»Wer sind Sie?«
»Jorge.«
»Leiten Sie diesen Betrieb?«
Er zog an seiner Zigarette und nickte.
»Ich weiß, wer Sie sind«, sagte er.
»Das heißt, Sie wollen keinen Ausweis sehen.«
»Sie können ihn mir trotzdem zeigen.«
Wir präsentierten unsere Plastikkarten. Er betrachtete sie eingehend, ohne sie zu berühren.
»Ohne den Bart sehen Sie besser aus«, meinte er zu mir.
»Kennen Sie diesen Jungen?«, fragte ich.
Jorges Blick wurde schläfrig wie der einer Python, die ein Pferd verschlungen hat und dessen Hufe schwer verdaulich findet. Er zog ein paar Mal an seiner Zigarette, drückte sie aus und präsentierte eine Reihe gelber Zähne, die noch nie Zahnseide gesehen hatten.
»Sie werden mir erklären, dass er schon einmal hier war, und ich werde Ihnen glauben müssen, aber …«, begann er, zog das Hotelregister hervor und blätterte durch die leeren Seiten.
»Vielleicht sollten Sie unter ›Zimmer stundenweise‹ nachsehen.«
»Wenn sie nur …«
»Wir wollen uns ein Zimmer im obersten Stockwerk ansehen. Sind die alle frei?«
»Wenn abgeschlossen ist, sind sie besetzt.«
»Sind Sie gerade sehr beschäftigt?«, fragte ich, und Jorge stellte ein paar hektische Überlegungen an. »Ich werde jedes Zimmer betreten, abgeschlossen oder nicht.«
Der Portier zog seine Hose hoch und trat hinter dem Tresen hervor. Er trug Gummisandalen. Seine Zehennägel waren so gelb wie seine Zähne. Ich folgte der toten Haut seiner verkrusteten Fersen in den vierten Stock.
»Wie viele Zimmer gibt es oben?«
»Vier«, sagte er keuchend, bemüht, jede unnötige Luftverschwendung zu vermeiden.
Oben angekommen hustete er sich in ein gewaltiges Schweigen und spuckte in sein Taschentuch.
»Und?«, fragte er und blickte in Valentims Richtung.
»Fragen Sie mich nicht«, sagte Valentim. »Ich weiß nicht, was ich hier soll.«
»Erinnerst du dich noch daran, was ich über den Ellbogen im Gesicht gesagt habe?«, fragte ich.
»Haben Sie das gehört?«, wandte Valentim sich an den Portier. »Das war eine Drohung.«
»Ich sehe dich nicht, und ich höre ihn nicht«, sagte Jorge. »Alle meine Sinne sind schon vor Jahren abgestumpft.«
Valentim blickte zu einer der Türen, die Jorge zeremoniell wie ein Portier aus dem 19. Jahrhundert geöffnet hatte.
Wir betraten den Raum, und Valentim und ich blieben zu beiden Seiten des Bettes stehen, während Carlos sich auf einen ischiasgefährdenden Stuhl bei der Tür setzte, die er hinter sich geschlossen hatte. Ich wusch mir im Waschbecken die Hände, betrachtete Valentim im Spiegel und tupfte mir mit den
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