Tod in Lissabon
Geld von ihm genommen. Teresa Carvalho sagte, dass sie sich quer durch die Uni geschlafen habe, sogar mit einem Dozenten. Bruno meinte, das sei zweifelhaft. Keiner von ihnen kannte sie. Sie kannten alle nur Bruchstücke. Nur Valentim war wirklich in ihr Inneres vorgedrungen, doch er wusste auch, wonach er suchte.
» Boa tarde , haben Sie gestern gegen Viertel nach zwei dieses Mädchen gesehen? Ja. Wirklich?«
Ich war inzwischen in einem Café in der Avenida Duque de Ávila, ein paar Häuser von Catarinas Schule, dem Liceu D. Dinis, entfernt, angekommen.
»Sie ist irgendwann nach zwei hereingekommen«, sagte der Barkeeper. »Ich habe sie schon öfter gesehen. Sie ist auf der Schule nebenan. Sie trinkt einen Café und geht wieder … genau wie alle anderen.«
»Gibt es einen besonderen Grund, dass Sie sich an sie erinnern?«
»Ich habe um zwei angefangen, und sie kam ein paar Minuten später.«
»War sie in Begleitung?«
»Nein. Sie stand, wie gesagt, am Tresen. Blonde Haare, blaue Augen, weißes Top, kurzer Rock, klobige Schuhe mit blitzenden Steinen im Absatz.«
»Sie haben sie sich aber ziemlich genau angeguckt.«
»Warum nicht?«
»Irgendein Grund?«
Er stützte sich auf dem Edelstahltresen ab, trommelte mit den Fingern auf den Rand, ging in sich und kam zu einem Schluss. Ich sah ihn die ganze Zeit an, und schließlich hörte er auf herumzukaspern.
»Das ist nicht Ihr Ernst«, sagte er.
»Doch durchaus.«
»Weil ich«, sagte er und drehte die Daumen auf dem Tresen, »nichts dagegen gehabt hätte, sie zu bumsen. Sie hatte einen echt knackigen Arsch. Okay? Und wer sind Sie?«
»Polizei«, sagte ich. »Haben Sie ein Telefon?«
»Nach hinten durch.«
Ich rief Carlos an, der noch immer keinen Durchsuchungsbefehl hatte. Ich sagte ihm, wenn er ihn hätte, solle er auf mich warten, ich würde bestimmt nicht länger als eine Stunde mit der Lehrerin reden, und dann konnten wir gemeinsam Valentims Zimmer durchsuchen. Ich legte auf, warf ein paar Münzen auf den Tresen und ging.
Catarinas Lehrerin wohnte im obersten Stock eines schicken, renovierten, vierstöckigen Wohnhauses in der Rua Actor Taborda, die von der Schule aus gesehen auf der anderen Seite von Saldanha in der Nähe des Polícia Judiciária-Gebäudes lag. Es war mittlerweile nach sieben und würde noch eine Weile hell bleiben, aber die Hitze ließ langsam nach.
Zunächst einmal sah sie anders aus als jede Lehrerin, die ich je gekannt hatte. Sie trug ihr dunkles, glänzendes Haar in einer modischen Kurzhaarfrisur, dazu Ohrringe, die aussahen wie zwei verbogene Kaffeelöffel, und Lippenstift … selbst für die Polizei. Sie hatte grüne Augen, einen eindringlichen Blick, der unentwegt auf mein Gesicht gerichtet war, und makellose weiße Zähne. Gekleidet war sie in ein leichtes, sehr kurzes blaues Fähnchen, dessen Ärmel wegen der Hitze bis zu den Schultern aufgerollt waren. Sie war so groß wie ich und hatte lange, schlanke Beine und lange, schlanke Arme. Ihr Name war Ana Luísa Madrugada.
»Aber ich benutze Luísa«, sagte sie. »Eistee? Selbst gemacht.«
Ich nickte.
»Setzen Sie sich.«
Sie ging in eine Kochnische und öffnete den Eisschrank. Ich nahm in dem dunklen Zimmer Platz, die Fensterläden waren wegen der Hitze geschlossen. Sie hatte gearbeitet. Eine Lampe brannte über einem Stapel Bücher und Zettel, manche getippt, manche in Kurzschrift. In der Ecke flimmerte ein Text auf einem Computerbildschirm. Sie gab mir meinen Eistee und ließ sich auf einen Stuhl mir gegenüber fallen. Ihr Glas stellte sie elegant auf einem Beistelltisch ab, auf dem auch ein Aschenbecher mit zwei Kippen stand, die bis zum Filter heruntergeraucht waren, als hätte sie sich die Zigaretten streng rationiert. Sie lag mehr, als dass sie saß, und hatte die langen Beine so weit von sich gestreckt, dass ihre Knie beinahe an meine stießen.
Sie bewegte ihre Gliedmaßen so achtlos, dass ich sie andauernd anstarren musste. Ich sprach sie auf ihre Arbeit an, und sie erzählte, dass sie an einer Doktorarbeit über ein Thema saß, das ich mir nicht merkte. Ich war zu konzentriert auf ihr Kleid, das mit jeder ihrer Bewegungen höher rutschte, bis ich glaubte, dass ich etwas sehen würde, das mich nichts anging, aber gern etwas angehen würde. Schließlich sah ich, dass sie einen Hosenrock trug, sodass sie sich ihre Achtlosigkeit leisten und ich mich entspannen konnte. Mein Blick wanderte wieder zu ihren glänzenden Schultern und den verbogenen Kaffeelöffeln. Ich
Weitere Kostenlose Bücher