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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Mädchen«, sagte ich, »war die schon vorher einmal hier?« Jorge blätterte seine Zeitung um und rauchte.
    »Haben Sie mich gehört, Jorge?«
    »Ich habe Sie gehört«, sagte er. »Genau wie Ihren Anruf eben. Sie ist eine Schülerin.«
    »Noch nicht mal sechzehn, Jorge.«
    Er schüttelte den Kopf, offenbar nicht allzu erstaunt darüber, was aus dieser Welt geworden war.
    »Sie kommt seit März oder April ziemlich regelmäßig freitagmittags hierher.«
    »Sie war eine Nutte?«
    »Sie ist jedenfalls nicht für ein Nickerchen nach oben gegangen, falls Sie das meinen«, sagte er und zündete sich am Stummel der alten eine neue Zigarette an. »Die Mädchen heutzutage sind anders. Sauber, hübsch angezogen, höflich. Sie kommen hierher, um sich das Taschengeld fürs Wochenende zu verdienen, weil sie ihrem Papa nicht erklären wollen, warum sie 30000 Escudos für einen vernünftigen Samstagabend brauchen. Die Professionellen wissen das auch. Wenn ein Mädchen in einem kurzen Rock zu lange herumlungert, treten sie sie halb tot. Wenn Sie mich fragen, was heute kaum noch jemand tut, Inspektor, dann ist es das Heroin.«
    »Kannten Sie einen ihrer Kunden?«
    Jorge warf mir einen traurigen Blick zu und tippte sich mit dem Zeigefinger an den Kopf.
    »Wie oft ist Ihr Laden schon dichtgemacht worden?«
    »Noch nie … es sei denn, es war vor …«
    »Das reicht, Jorge. Inzwischen langweilen Sie mich.«
    »Hören Sie, Inspektor, ich bin so kooperativ, wie ich kann … letztendlich.«
    »Wie wär’s, wenn Sie jetzt gleich ein bisschen kooperativ sind?«
    Er überlegte. Er wollte mich offensichtlich loswerden.
    »Ich erzähle Ihnen etwas, viel ist es nicht, aber wenn Sie dafür die Treppe hinunter verschwinden …«
    »Das kann ich Ihnen nicht versprechen.«
    »Sie sind nicht der Erste, der mich nach dem Mädchen fragt … der Nachforschungen anstellt, meine ich.«
    »Was meinen Sie … ein anderer Polizist?«
    »Schon möglich.«
    »Spucken Sie’s aus, Jorge. In einem Ruck, so als würden Sie sich einen Zahn ziehen.«
    »Er sah aus wie ein Polizist, wollte mir aber keinen Ausweis zeigen, und ich wollte ihm nichts sagen.«
    »Was hat er Sie denn gefragt?«
    »Erst hat er sich als Freier ausgegeben, der an dem Mädchen interessiert war. Ich habe ihm nicht geglaubt. Dann hat er mir erklärt, er wäre von der Polícia Judiciária. Ich habe nach seinem Ausweis gefragt. Er wollte ihn mir nicht zeigen. Ich habe ihm gesagt, er solle aufhören, meine Zeit zu verschwenden, und dann ist er gegangen.«
    »Und wann war das ungefähr?«
    »Kurz nachdem sie angefangen hatte, regelmäßig freitagmittags zu kommen.«
    »April, Mai?«, fragte ich, und er nickte. »Beschreiben Sie mir, wie er aussah.«
    »Klein, untersetzt, und die paar Haare, die ich gesehen habe, waren grau. Er trug einen kleinen schwarzen Hut, den er die ganze Zeit nicht abgenommen hat, dazu eine graue Tweed-Jacke, ein weißes Hemd und eine graue Hose. Kein Schnurrbart, kein Bart. Braune Augen, das ist alles.«
    »Ich gehe jetzt die Treppe hinunter, Jorge.«
    »Immer schön langsam«, sagte er, »ich will schließlich nicht, dass Sie fallen.«
    Ich stieg hinunter auf die enge, dunkle Straße. In Jorges fensterlosem Empfang war es kühl gewesen, und ich zog die Jacke aus und hängte sie über die Schulter. Mittlerweile waren mehr Mädchen unterwegs, und auf dem Weg zum Elevador da Gloria, einer von Lissabons Standseilbahnen, fragte ich die eine oder andere, ob sie Catarina gesehen habe. Zwei brasilianische Mulattinnen erinnerten sich an sie, aber nicht vom Vortag. Eine gebleichte Blondine, die auf einem Bein stand, während sie den Absatz des anderen Schuhs reparierte, tippte nickend mit dem Finger auf das Foto, konnte sich jedoch nicht erinnern, wann sie Catarina zuletzt gesehen hatte.
    Ich fragte den Fahrer der Standseilbahn, von dem ich annahm, er müsse ein Interesse an seiner Umwelt haben, anstatt immer nur wieder dieselben zweihundert Meter Gleise hügelauf- und hügelabwärts zu betrachten, doch er wies mich achselzuckend ab. Ich ging zurück zur Rua da Glória, stieg in meinen Wagen und fuhr zu der belebten Haltestelle in Saldanha, ein von neuen Bürogebäuden geprägtes Viertel, die allesamt geschlossen waren. Doch schließlich fand ich ein paar kleinere Läden, in denen ich meine Frage stellen konnte.
    » Boa tarde , haben Sie gestern gegen Viertel nach zwei dieses Mädchen gesehen? Nein. Danke. Adeus. «
    Für mich ist Polizeiarbeit eine Bauchsache. Für viele meiner

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