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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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mir per Handy Aufträge erteilt, denen ich gehorche.«
    »Und welcher dieser Aufträge führt Sie zu mir? Hat einer meiner Schüler Probleme?«
    »Es hat Sie heute niemand angerufen?«
    »Streuen Sie nicht noch Salz in die Wunde.«
    »Welcher Ihrer Schüler könnte Ihrer Ansicht nach Probleme haben?«
    »Junge oder Mädchen?«
    »Mädchen.«
    »Catarina Sousa Oliveira.«
    »Volltreffer.«
    »Ich habe mir schon gedacht, dass am Ende jemand kommen würde, um mit mir über sie zu sprechen.«
    »Weswegen?«
    »Drogen vermutlich.«
    »Ich bin von der Mordkommission.«
    Sie schlug die Hand vor den Mund. Das Wort ließ sie frösteln. Sie ging zum Fenster und stieß die Läden auf, um mehr Licht und die letzte Wärme des Tages hereinzulassen.
    »Was ist passiert?«, fragte sie.
    »Sie wurde gestern am späten Nachmittag ermordet«, sagte ich. »Ich bin überrascht, dass niemand angerufen hat. Dr. Oliveira sagt, er hätte es gestern Abend versucht.«
    »Ich war mit meiner Schwester in der Alfama.«
    »Sie hatten Probleme wegen Drogen erwartet«, sagte ich.
    »Ich betrachte es als Teil meiner Arbeit, nach Anzeichen Ausschau zu halten. Einstichmale, erweiterte Pupillen, Konzentrationsschwäche, Einsamkeit.«
    »Und welche Anzeichen wies Catarina auf?«
    »Alle bis auf die Einstichmale.«
    »Haben Sie mit ihr darüber gesprochen?«
    »Natürlich. Ich spreche mit allen auffälligen Jugendlichen.«
    »Warum war sie einsam?«
    »Das heißt nicht, dass sie nicht beliebt war. Sie wissen ja, wie das ist. Sie hatte Talent. Das erregte eine Menge Aufmerksamkeit. Sie hatte eine tolle Stimme, dazu ihre blonden Haare und ihre blauen Augen. Viele der Jugendlichen mochten sie und wollten wie sie sein, aber sie hatte keine Freunde … sie war zu weit voraus.«
    »Haben Sie sie je singen hören?«
    »Es war keine schöne Stimme, sie hatte nichts Klares oder Süßes, aber sie konnte einem die Nackenhaare zu Berge stehen lassen. Sie hatte auch fado drauf, aber was sie wirklich mochte, war schwarze Musik, die Blues-Nummern … Billie Holiday. Billie-Holiday-Songs hat sie geliebt.«
    »Und sie hatte jede Menge, worüber sie klagen konnte«, sagte ich. »Was war mit Stimmungsschwankungen?«
    »In diesem Halbjahr war es nicht so schlimm. Aber sie hat eine ungeheuer wütende Phase durchgemacht. Sie wurde knallrot und sah aus, als würde sie jeden Moment ihr Pult aus dem Fenster werfen, dann beruhigte sie sich ebenso schnell wieder und wurde trübsinnig. Ich habe mit ihrer Mutter geredet, und es hat sich fast sofort gebessert.«
    »In ihrem Blut haben wir keine Medikamente gefunden.«
    »Vielleicht hat sie aufgehört, das Zeug zu nehmen, das die Probleme verursacht hat.«
    »Für ein Mädchen ihres Alters war sie in extremer Weise sexuell aktiv. Wissen Sie etwas von Beziehungen innerhalb der Schule?«
    »Dort passiert nichts, ohne dass es die ganze Welt weiß, aber manchmal ist ein Gerücht viel aufregender als die Wahrheit, und beides ist nicht immer leicht voneinander zu unterscheiden, sodass ich nie über Tratsch rede.«
    »Mich interessiert nur, was Sie beobachtet haben.«
    Sie ging vom Fenster zurück zu ihrem Stuhl und setzte sich wieder auf die Kante.
    »Lassen Sie es mich anders formulieren«, sagte ich. »Ich habe ihren Weg von einer pensão in der Rua da Glória bis zum La Bella Italia zurückverfolgt, einem Café in der Nähe der Schule. Ich nehme an, dass sie zur Schule gegangen ist. Sonst hätte sie den weiten Weg nicht gemacht.«
    »Sie war bis halb fünf in meinem Unterricht.«
    »Und danach?«
    Sie rang die Hände und blickte zu Boden.
    »Ich habe gesehen, wie sie die Schule verlassen hat. Sie war in Begleitung eines jungen Englischlehrers. Jamie Gallacher, ein Schotte. Er hat an der Straßenecke mit ihr geredet, aber sie hat nicht reagiert. Dann ist sie weg in Richtung Avenida Duque de Ávila gegangen, und er ist ihr gefolgt … mehr habe ich nicht gesehen.«
    »War das ungewöhnlich?«
    »Wenn man den Gerüchten glaubt, lief da irgendwas. Ich habe gehört, dass Catarina manchmal nach der Schule mit in sein Apartment gegangen ist. Das ist jedoch keineswegs verlässlich und sollte in keinem Ihrer Berichte auftauchen. Teeny-Tratsch eben.«
    »Was halten Sie von Jamie Gallacher?«
    »Er ist okay, aber er ist wie viele Engländer. Er trinkt gern und viel … und dann ist er nicht mehr so nett.«

17
    24. Dezember 1941,
    Beira Baixa, Portugal
     
    Es war der Nachmittag des Heiligen Abends, und Felsen wartete noch immer mit gesäuberter und

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