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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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und Marias eigenartiges Zischen.
    Am Morgen trank er Kaffee, rauchte und ignorierte die steinerne Miene des Mädchens. Er hatte ein Problem. Er wollte nicht mit Abrantes die Grenze überqueren und in Navasfrias ins Feuer eines Schrotgewehrs laufen. Dieses Problem wurde um neun Uhr durch einen Fahrer aus Guarda gelöst, der ein Telegramm aus Lissabon brachte: Holländische und australische Truppen in Ost-Timor einmarschiert. Kommen Sie sofort nach Lissabon. Poser.
    Das von Poser verwendete Wort »einmarschiert« gefiel ihm.
    Er wusste, dass Salazar es genau so sehen würde, als eine Verletzung portugiesischer Souveränität.
    »Gibt es ein Problem?«, fragte Abrantes nervös.
    »Unsere Grenzprobleme sind vorüber«, sagte Felsen. »Die Alliierten haben einen Fehler gemacht. Ich muss sofort nach Lissabon. Sie werden die hundertneun Tonnen, die Sie in Navasfrias gelagert haben, zu dem Gelände in Ciudad Rodrigo bringen und kein weiteres Wolfram schmuggeln, bis ich es befehle.«
    »Hundertneun Tonnen?«
    Felsen rechnete es ihm vor. Abrantes’ Miene blieb ausdruckslos. In diesem Augenblick begriff Felsen Abrantes’ Spiel. Der Portugiese hatte das Wolfram nicht gestohlen, sondern den Preisunterschied diesseits und jenseits der Grenze ausgenutzt. Er hatte in Spanien teuer verkauft, mit dem Erlös in Portugal billig einkaufen und die Spanne einstreichen wollen. Doch er war kalt erwischt worden, der Preis in Spanien war gefallen, vielleicht gab es zum fraglichen Zeitpunkt nicht einmal einen Käufer. Abrantes hatte nicht das Geld gehabt, die Bestände in Foios zu ersetzen. Er konnte lediglich versuchen, die Situation zu retten, indem er die Menge der geschmuggelten Ware herunterrechnete. Die gute Laune des gestrigen Abends war der Beginn eines Bluffs gewesen, mit dem der Mann Zeit zu schinden versuchte, um seine Verluste zu retten.
    »Bis wann soll die Ware transportiert werden?«, fragte Abrantes jetzt sichtlich ängstlich.
    »Sie sollte in den Büchern des vergangenen Jahres auftauchen, die bis Ende Januar abgeschlossen sein müssen.«
    Felsen ging durch die Küche. Maria stand am Herd, hielt ihr Baby im Arm und sah erbärmlich aus. Er ging an ihr vorbei, überquerte den Hof und packte seine Sachen.
    Auf der Rückbank des Citroën schrieb er eine Anweisung an den Geschäftsführer der Anlage in Ciudad Rodrigo und gab sie dem Fahrer. Auf der Fahrt ins Tal überholten sie eine Prozession. Männer, von denen er einige erkannte, trugen einen eingehüllten Leichnam, dahinter folgten die Frauen. Er kurbelte das Fenster herunter.
    »Wer ist gestorben?«, fragte er.
    Die Männer antworteten nicht. Doch eine der Frauen erhob die Stimme.
    »Alvaro Fortes«, sagte sie, »dies sind seine Witwe und sein Sohn.«
    Felsen blinzelte und befahl dem Fahrer weiterzufahren.
     
     
    27. Dezember 1941,
    Deutsche Gesandtschaft, Lapa, Lissabon
     
    »Salazar«, sagte Poser, der ihn seit nunmehr vierundzwanzig Stunden nicht mehr einen betrügerischen Araber genannt hatte, »war über diesen Einmarsch derart in Rage – und ist es noch immer –, dass wir es für angebracht hielten, unsere Verhandlungen über den Wolfram-Export für 1942 unverzüglich aufzunehmen. Es ist ein großartiger Anblick. Sir Ronald Campbell, der britische Botschafter, schleicht herum wie ein Konzertpianist mit gebrochenen Fingern. Der gute Doktor ärgert sich schon das ganze Jahr über die Briten, die ihm mit einer Hand auf die Schulter klopfen, etwas von alten Allianzen in sein Ohr flüstern und sein Vertrauen ausnutzen, während sie ihn mit der anderen blockieren und ihre Truppen in Dili einmarschieren lassen. Wir hingegen …«
    »… haben seine Schiffe versenkt.«
    »Das stimmt. Kleinere, aber notwendige korrigierende Maßnahmen, oder vielleicht sollten wir besser sagen, Erinnerungen an seinen neutralen Status.«
    »Für Salazar wird es auch nur einmal im Jahr Weihnachten, und dann bekommt er all seine Geschenke. Was bieten Sie ihm an?«
    »Stahl«, sagte Poser voller Selbstbewusstsein. »Stahl und Dünger. Wir werden ihm in zwei Wochen ein Angebot machen. Salazar wird uns garantierte Exportlizenzen für dreitausend Tonnen geben, und wenn wir die erst haben, sind die Verhandlungen mit der staatlichen Metallgesellschaft über Exportmengen gegenstandslos. Wir werden bekommen, was wir wollen. 1942 können die Briten das Schwitzen lernen.«
    »Und ich setze meine Operationen fort?«, fragte Felsen.
    »Selbstverständlich, es sei denn, sie erhalten anders lautende Befehle.

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