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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Ostfront gegen unsere Jungs in die Schlacht geschickt wird?«
    »Russen?«
    »Sibirier. Flachgesichtige, schlitzäugige Sibirier. Diese Leute schlafen im Sommer, weil es ihnen zu heiß ist. Die wachen erst auf, wenn die Temperatur unter minus zehn Grad sinkt. Unsere Truppen tragen noch immer ihre Sommeruniformen. Sie haben nicht einmal Handschuhe. Und sie sehen sich diesen Barbaren gegenüber, die vor Freude tanzen, weil es so wunderbar kalt ist, die sich ranziges Schweinefett auf die Bajonette schmieren, damit sich die Wunde, wenn sie unsere halb erfrorenen Soldaten niederstechen, entzündet und unsere Männer unter grausamen Schmerzen sterben. Wenn ihre Schreie bis nach Berlin hallen würden, würden wir eher heute als morgen den Rückzug antreten.«
    »Warum erzählen Sie mir das?«
    »Die Belohnung für Versagen ist eine Versetzung an die Ostfront. Was sagt Ihnen das?«
    »Dass es nicht nach einem totalen Sieg aussieht.«
    »Der eigentliche Winter hat gerade erst begonnen, doch es ist schon seit zwei Monaten verdammt kalt. Unsere Nachschublinien ziehen sich über tausende von Kilometern. Die Russen haben sich zurückgezogen und uns nichts hinterlassen. Sie haben alles dem Erdboden gleichgemacht. Es gibt nichts, was wir nicht dorthin transportieren müssen. Wissen Sie, was wir mit unseren russischen Kriegsgefangenen machen? Wir sperren sie hinter Stacheldraht und sehen zu, wie sie verhungern und erfrieren. Wir können ihnen nichts geben. Wir können nicht mal die eigenen Leute versorgen. Bitter ist noch eine extrem zurückhaltende Beschreibung der dortigen Situation.«
    »Das eine Ende der Leberwurst?«
    »Haben Sie Ihren Kopf dort oben in der Beira in eine Schweineblase gesteckt? Was ist am 7. Dezember passiert?«
    »Pearl Harbor.«
    »Da haben Sie Ihre Leberwurst.«
    »Von hier aus betrachtet, stehen wir fünfundzwanzig Kilometer vor Moskau. Wir sind schon in den Randbezirken, Herrgott noch mal. Die Amerikaner sind auf der anderen Seite des Atlantiks. Sie müssen Europa erst mal erobern. Wir sollten vernünftig bleiben, Herr Obergruppenführer.«
    »Ich bin durchaus optimistisch, Herr Sturmbannführer, aber wir müssen auf alle Eventualitäten vorbereitet sein«, sagte Lehrer. »Also … dieser Bauer, mit dem Sie oben in der Beira arbeiten …«
    »Abrantes.«
    »Kann er lesen oder schreiben?«
    »Nein«, sagte Felsen, »aber er hat eine Unterschrift.«
    »Haben Sie ihn unter Kontrolle?«
    »Absolut«, sagte Felsen und dachte, wie knapp es gewesen war. »Solange er Geld verdient, ist er glücklich. Und mit der von uns errichteten Fabrik zur Säuberung des Wolfram-Erzes fährt er sehr gut.«
    »Es geht um etwas vollkommen anderes. Diese Fabriken sind Kleinkram, sie haben keine bedeutenden Einlagen. Erinnern Sie sich daran, was ich Ihnen Anfang des Jahres über die Gedanken gesagt habe, die sich ein Mann für sich ganz allein machen muss …«
    Ihre Blicke trafen sich, und sie verstanden sich.
    »Für den unwahrscheinlichen Fall einer Katastrophe …« Felsen ließ den begonnenen Satz verklingen.
    »Mir schwebt vor, eine Bank zu eröffnen«, sagte Lehrer, »eine Bank in portugiesischem Besitz.«
    »In portugiesischem Besitz?«
    »Wenn es zum Äußersten kommt – die Leberwurst, meine ich –, werden die Alliierten garantiert auf Rache sinnen. Deutsche Vermögenswerte werden nirgendwo in Europa sicher sein. Deshalb wird sich diese Bank in portugiesischem Besitz befinden, allerdings mit ebenso bedeutenden wie diskreten deutschen Anteilseignern.«
    »Und wer soll das sein?«
    »Sie und ich beispielsweise«, sagte Lehrer. »Dies ist unsere ganz private Unternehmung. Niemand, schon gar nicht dieser preußische Idiot, sollte davon erfahren.«
    »Ist das eine SS-Sache?«
    »Gewissermaßen«, sagte Lehrer, und Felsen wartete, dass er deutlicher wurde. »Aber ich hoffe, Sie verstehen, wie wichtig Abrantes in dieser Angelegenheit ist. Er muss verlässlich sein … er muss ein Freund sein.«
    »Er ist ein Freund«, sagte Felsen, ohne Lehrers unnachgiebigem Blick auszuweichen.
    »Gut«, sagte Lehrer und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Jetzt brauchen wir nur noch einen Namen. Einen guten portugiesischen Namen. Was heißt ›Felsen‹ auf Portugiesisch?«
    »Rochedo, rocha.«
    » Rocha. Das klingt verlässlich, aber ich denke, wir sollten dem etwas Großes und Allumfassendes hinzufügen.«
    »Das Meer ist wahrscheinlich die wichtigste Ikone der Portugiesen«, meinte Felsen.
    »Was heißt ›Meer‹ auf

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