Tod in Lissabon
Portugiesisch?«
»Mar.«
»Nein, nein. Mar e Rocha klingt wie ein schlechtes Restaurant.«
»Oceano e Rocha?«
»Ich denke, das könnte es sein. Banco de Oceano e Rocha«, sagte Lehrer und blickte in den Garten. »Dort würde ich mein Geld anlegen.«
18
1. Oktober 1942,
Berlin-Zentrum
Eva Brücke saß in dem Arbeitszimmer ihrer Wohnung, rauchte eine Zigarette nach der anderen und nippte ab und zu an ihrem Cognac. Wenn sie das Glas in ihre weißen Hände nahm, konnte sie deutlich die blauen Adern erkennen. Ihr Gesicht war so fahl, dass sie fürchtete, man könnte durch die Wangen ihre Zähne sehen, wenn sie im Licht stand. Ihre Innereien? Sie hatte keine Innereien. Sie fühlte sich wie ein gerupfter und ausgenommener Vogel, außerdem war ihr eiskalt.
Zurzeit waren zwei von ihnen in der Wohnung, namenlos natürlich, Hansel und Gretel, Tristan und Isolde. Die beiden waren geübt, Experten in präsenter Abwesenheit – leiser als Insekten, aber doch nicht so leise, dass die Spannung in den Räumen nicht greifbar war. Sie lebten schon seit Monaten versteckt in Berlin, dies war ihre letzte Station.
Eva hatte sich zum Ausgehen fertig gemacht und gerade mit einem Lippenstiftstummel ihre Lippen nachgezogen, als es an der Tür klopfte, leise und höflich. Sie legte den Lippenstift weg, weil sie das wertvolle Stückchen nicht zerbröseln oder zerbrechen wollte. Das zweite Klopfen war ein Donnergrollen, ein Hämmern, das ihr das Herz stocken ließ, und auf das dieses gefürchtete dreisilbige Wort folgte:
»Gestapo!«
Es war so laut, dass die beiden es im hinteren Teil der Wohnung bestimmt gehört und sich versteckt hatten. Sie hatte keine Zeit mehr.
»Ich komme«, sagte sie gleich beim ersten Mal ohne jedes Krächzen klar und deutlich und mit einem hörbar verärgerten Unterton. Sie schlüpfte in ihren Mantel und öffnete die Wohnungstür.
»Ja«, sagte sie forsch und mit einem leichten Stirnrunzeln. »Ich wollte gerade gehen.«
Die beiden Männer drängten an ihr vorbei ins Wohnzimmer. Beide trugen einen schwarzen Ledermantel und einen schwarzen Hut, den keiner von beiden abnahm. Der eine war dünn, der andere ein Schläger.
»Kommen Sie doch herein«, sagte sie.
»Ihre Papiere?«
Sie nahm sie aus ihrer Handtasche und gab sie ihnen, mit festem Arm und beinahe unverschämt selbstbewusst.
»Eva Brücke?«, fragte der Dünne, ohne einen Blick auf ihren Ausweis zu werfen.
»Ich denke, Sie werden feststellen, dass ich das bin.«
»Sie sind gemeldet worden.«
»Weswegen und von wem?«
»Sie sollen Illegalen Unterschlupf gewährt haben«, sagte er. »Von ihren Nachbarn.«
»Ich habe keine Nachbarn. Hier gibt es auf allen Seiten nur Trümmer.«
»Wir meinen nicht unbedingt Leute, die nebenan wohnen. Nachbarn könnten zum Beispiel auch Menschen sein, die über den Hinterhof auf die Rückseite Ihrer Wohnung blicken.«
»Die sind letzte Woche ausgebombt worden«, sagte sie.
»Sie haben doch nichts dagegen, wenn wir uns mal kurz umsehen.«
»Ich wollte, wie gesagt, gerade gehen«, erwiderte sie, fast ein wenig verzweifelt.
»Es dauert nicht lange«, sagte der Dünne und schnupperte.
»Solange Sie nichts dagegen haben, mir sowohl die Namen der Nachbarn als auch die Namen Ihrer Vorgesetzten zu nennen, damit ich diese Nachbarn wegen übler Nachrede melden kann, wenn Ihre Oberen heute Abend in meinen Klub kommen. Ihre Namen wüsste ich auch gern.«
»Wozu? Damit Sie uns auch melden können?«, fragte der Schläger und baute sich vor ihr auf.
»Müller«, sagte der Dünne und wies auf sich. »Und Schmidt. Sollen wir es Ihnen aufschreiben? Können wir jetzt weitermachen?«
»Der hintere Teil der Wohnung ist nach dem letzten Bombenangriff nach wie vor einsturzgefährdet. Ich übernehme keinerlei Verantwortung, wenn Sie sich verletzen. Und wenn wegen Ihrer Achtlosigkeit eine Wand einbricht und ich diesen Winter frieren muss, werde ich …«
»… in diesem Zimmer schlafen«, beendete Schmidt ihren Satz. Sein Blick war schläfrig geworden, und er schielte über seine gebrochene Nase.
»Nein. Ich werde meine Freunde, Ihre Vorgesetzten beim RHSA, auffordern, den Schaden zu ersetzen.«
»In einem Schweinearsch«, sagte Schmidt grob, ohne dass irgendwer wusste, was er damit eigentlich meinte.
Die beiden Männer starrten sie an. Sie hatte die hochmütige Tour und Prahlerei mit ihren Verbindungen übertrieben. Die Nerven. Müller gab ihr ihre Papiere zurück.
»Vielleicht sollte ich vorgehen«, sagte er. »Wenn
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