Tod in Seide
aus.
»Was machst du da?«
Er stand auf. »Ein toller Ort, um ein Gemälde zu verstecken und um es dann später wieder abzuholen. Ist das Gebäude offen, nachdem die Galerien schließen?«
»Natürlich. Unser Salon ist viel länger geöffnet als die Geschäfte. Das gilt auch für die Zahnarztpraxen. Das einzige andere Büro auf diesem Stockwerk ist das malaysische Reisebüro. Es hat reguläre Öffnungszeiten, aber dort scheint mir nie großer Publikumsverkehr zu sein.«
»Malaysia ist wohl nicht gerade Urlaubsziel Nummer eins«, sagte Mike.
Elsa lächelte. »Scheint so. Natürlich treffen sich viele der Galeristen mit ihren Kunden nach Vereinbarung. Deshalb ist der Schalter in der Eingangshalle immer besetzt. Denise Caxton kannte hier jeder. Sie konnte kommen und gehen, wann sie wollte. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie ein Gemälde – oder etwas anderes – stehlen würde. Darum nahm ich die Geschichte auch nicht ernst. So wie sie Genevieve erzählte, hörte es sich an, als ob der Manager Mrs. Caxton ganz einfach nur in Verlegenheit bringen wollte oder sich zum Affen machte.«
»Nehmen wir mal an, sie hat nichts ›gestohlen‹«, sagte Mike. »Vielleicht war es etwas, was ihr gehörte, ein Bild, von dem Lowell nichts wusste, aber das sie in der Galerie zwischengelagert hatte. Oder das sie in einem seiner Lagerräume versteckt hatte.« Elsa wusste nichts über die Geschäfte der Caxtons, also sprach Mike jetzt an mich gewandt. »Vielleicht war es etwas, wovon sie wusste, dass es ihr zustand, aber auch, dass Lowells Leute sie damit nicht aus dem Gebäude lassen würden. Sie kommt bis oben bepackt hier an, dreht ihre Runde, holt sich, was sie sucht und geht, bevor sein Manager prüfen kann, was sie in ihren Taschen hat. Dann kommt sie hierher zu diesem kleinen Vorsprung und lässt ihr Paket hier zurück, das sie, nehme ich mal an, zum Schutz in etwas verpackt hat. Ich gehe doch recht in der Annahme, dass der Ort hier nicht oft besucht wird?«
»Außer Denise Caxton habe ich hier nie jemanden gesehen. Ich möchte wetten, dass neunundneunzig Prozent der Leute, die hier arbeiten, gar nicht wissen, dass es diesen Platz gibt.«
»Sie lässt also ihr Bild hier zurück und fährt hinunter in die Eingangshalle. Lowells Kerl wartet dort auf sie. Entweder nimmt er an, oder sie sagt ihm, dass sie jemanden in einer anderen Galerie besucht hat. Eine völlig glaubwürdige Entschuldigung für einen kleinen Umweg auf dem Weg nach draußen. Dann kommt sie am nächsten Tag oder noch am selben Abend zurück, um ihr Bild zu holen. Vielleicht ist sie sogar nur im Taxi um den Block gefahren und nach zehn Minuten wiedergekommen. Jeder sagt doch von ihr, dass sie das Risiko liebte.«
Elsa sah besorgt aus. »Ich hoffe, das hat nichts mit ihrem Tod zu tun. Es war eine so dumme Geschichte – kaum der Rede wert, als ich davon hörte. Ich habe die beiden Sachen nie miteinander in Verbindung gebracht.«
»Dazu hattest du auch gar keinen Grund«, versicherte ich ihr. Während ich sprach, blinzelte Mike auf seinen Pieper, der anscheinend an seinem Gürtel vibriert hatte. »Zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir alles in Betracht ziehen. Es ist gut, darüber Bescheid zu wissen.«
»Lass uns zurück zum Telefon gehen. Der Lieutenant sucht mich. Er wird entzückt sein zu hören, dass ich bei deiner Friseurin bin.«
Wir gingen zurück in die Küche, wo ich meine Handtasche liegen gelassen hatte. Während Mike das Dezernat anrief, bat ich Elsa, Augen und Ohren offen zu halten, was den Umzug und die Schließung der Caxton-Galerie anging.
Mike sang den Anfang von Willie Nelsons »On the Road Again«, nachdem er auflegte. »Entweder machst du es dir hier gemütlich und lässt dir von Elsa dein seidiges Haar aufhellen, oder ich besorge dir ein paar Männer vom örtlichen Revier, die dich zurück ins Büro bringen. Ich bin auf dem Weg ins wunderschöne Piscataway.«
»Was gibt’s dort?«
»Ein Mann lieferte sich heute Vormittag selbst ins Krankenhaus ein. Er hat eine eiternde Wunde in der Leistengegend. Er gab in der Notaufnahme an, dass er einen Unfall auf einer Baustelle gehabt hätte, aber die Röntgenbilder zeigten, dass er eine Kugel drin stecken hatte. Jetzt hält ihn gerade die Staatspolizei von Jersey fest. Es könnte sein, dass Mercer doch ins Schwarze getroffen hat. Die Beschreibung des Patienten passt auf die von Anthony Bailor.«
31
Ich gab nur äußerst ungern zu, dass Pat McKinney über irgendetwas im Recht sein
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