Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in Seide

Tod in Seide

Titel: Tod in Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
Vom Netzwerk:
Das ist zumindest die Version, die wir hier gehört haben.«
    Mike stützte sich mit dem Ellbogen auf die Küchenzeile und sah Elsa an. »Wenn er vor ihr in der Eingangshalle war, obwohl sie die Galerie vor ihm verlassen hatte, wo hat Mrs. Caxton dann auf ihrem Weg nach unten angehalten?«
    »Vielleicht hat sie ja in einer der anderen Galerien einen Freund oder eine Freundin besucht?«
    »Das werden wir herausfinden. Ich werde versuchen, das Datum dieses Vorfalls von Genevieve herauszubekommen, sobald wir sie ausfindig gemacht haben.« Er hielt inne. »Aber falls Mrs. Caxton keinen Besuch gemacht hat und nur gesetzt den Fall, dass sie versucht hat, einen wertvollen Gegenstand aus dem Gebäude zu schmuggeln, können Sie sich einen Platz denken, wo sie ihn zwischen dem fünfunddreißigsten Stockwerk und dem Erdgeschoss versteckt haben könnte?«
    Elsa arbeitete seit über fünfzehn Jahren in dem Salon und kannte von ihren Streifzügen her wahrscheinlich jeden Winkel des Fuller Building. Sie hatte mir oft erzählt, dass sie lieber die Treppe nahm als die Aufzüge – um sich etwas Bewegung und Abwechslung zu verschaffen, wenn sie den ganzen Tag hinter einem Stuhl gestanden hatte.
    »Ich weiß, wo Denise oft heimlich eine Zigarette rauchte«, sagte sie leise.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Schon bevor die Stadt die Antirauchergesetze verabschiedete, ließ Lowell in der Galerie niemanden rauchen. Wegen der Bilder, vor allem wegen der alten Bilder hatte er alle möglichen Arten von Luftkontrollgeräten installiert. Die meisten Angestellten fuhren bis ins Erdgeschoss und rauchten draußen auf der Straße. Denise war das zu blöd. Sie schnorrte sich eine Zigarette – ich glaube nicht, dass sie es sehr oft tat – und entdeckte mein Geheimversteck. Dort liefen wir uns hin und wieder über den Weg.«
    »Sie rauchen?«, fragte Mike, so als ob er sie für ein potenzielles Rendezvous aushorchen würde.
    »Nein, aber ich schnappe hin und wieder mal gern frische Luft. Die Dämpfe von den Färbungsmitteln setzen einem nach einer Weile ganz schön zu. Ich gehe manchmal dort hinauf, um mich zu regenerieren und mir etwas Ruhe zu gönnen; man hat von dort einen großartigen Blick auf die Stadt.«
    »Was ist es, eine Art Balkon?«
    »Nein, überhaupt nicht.« Sie musterte Mike von oben bis unten. »Ich bin mir nicht mal sicher, dass Sie draufpassen würden. Ich zeige es Ihnen, wenn Sie möchten.«
    Wir verließen den Salon und fuhren zum achtzehnten Stock, dem obersten Stockwerk, das man mit den ostwärts gelegenen Aufzügen erreichen konnte. Elsa führte uns zu einer großen, grauen Feuerschutztür und stemmte sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen sie, so dass sie zur Treppe hin aufging. Wir gingen in den neunzehnten Stock hinauf, der praktisch nur ein dunkler Gang war, der die beiden Seiten des Gebäudes miteinander verband.
    Das einzige Licht kam von dem Flackern eines kirschroten Exit-Neonschilds über der Tür, durch die wir gerade gekommen waren. Meine Augen versuchten sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, während ich hinter Elsa herging. Mike bildete das Schlusslicht.
    Nach zwei Drittel des Ganges war zu unserer Rechten eine Ausbuchtung in der Wand. Wenn Elsa sich nicht dorthin gewendet hätte, hätte ich sie wahrscheinlich nicht einmal bemerkt. Elsa bewegte sich wie selbstverständlich und machte mich auf zwei Stufen aufmerksam, die zu einer weiteren, kleineren Feuerschutztür führten. Als sie die Tür öffnete, wurde über uns ein Fetzen des grauen Mittagshimmels sichtbar.
    Auf der anderen Seite von Elsa war ein Absatz, der nur ungefähr sechzig Zentimeter tief und neunzig Zentimeter breit war. Wie ein kleiner Hochsitz ragte er hoch über der Straße aus dem Gebäude, völlig ungeschützt bis auf eine dünne Eisenstange, die in Brusthöhe um den Absatz herumlief. Meine zierliche Freundin trat auf den Vorsprung hinaus, hielt sich an der Stange fest und lehnte sich vornüber, um auf die darunter liegenden Häuserdächer zu blicken.
    Dann trat sie zurück und forderte mich auf, es ihr gleichzutun. »Ich bin nicht schwindelfrei. Das ist nichts für mich.« Ich hielt mich an ihrem Arm fest und versuchte, mit offenen Augen an das Geländer zu treten, aber ich hielt es nicht lange dort draußen aus. Zwischen mir und dem Bürgersteig neunzehn Stockwerke tiefer waren einfach nicht genug Absperrungen. Ich bot Mike meinen Platz an, aber er lehnte ab. Stattdessen ging er in die Hocke und maß mit ausgestreckten Fingern die Fläche

Weitere Kostenlose Bücher