Tod in Seide
kam in die Küche, zog ihre Gummihandschuhe aus und wusch sich die Hände, bevor ich sie Mike vorstellte. Ich hatte in den letzten Jahren beiden so viel voneinander erzählt, dass ich kaum glauben konnte, dass sie sich noch nie zuvor begegnet waren. Elsa war seit langem meine Freundin, und abgesehen davon, dass sie sich nicht nur glänzend um mein von Natur aus helles Haar kümmerte, machte sie mich als Opern- und Ballettfan auch auf Aufführungen und Kunstveranstaltungen aufmerksam, die ich sonst übersehen hätte. Ich wusste, dass sie in den seltenen Momenten, wenn sie einmal eine Pause hatte, die Galerien im Haus besuchte und deren Ausstellungskataloge sammelte.
»Was für eine nette Überraschung! Bist du wegen eines Haarschnitts bei Louis oder Nana hier?« Dann sah sie zu Mike. »Oder bringst du uns einen neuen Kunden zum Strähnchenmachen?«
»Wir wollten zur Caxton-Galerie, also dachte ich mir, wir schauen mal vorbei und fragen, ob du irgendwas darüber weißt.«
»Über den Umzug? Niemand weiß, was los ist. Das ist alles so plötzlich.«
»Hast du keine Kontakte dorthin?«
»Nein, eines der anderen Mädchen hat die Highlights für Genevieve, die Rezeptionistin, gemacht. Sie rief gestern an und sagte ihren Termin ab. Ihr wäre gekündigt worden, und deshalb würde sie nicht mehr kommen.«
»Haben Sie ihren Namen und ihre Privatnummer, unter der wir sie erreichen können?«, fragte Mike.
»Ich kann sie Ihnen besorgen, bevor Sie gehen. Pat führt Kartei über alle unsere Kundinnen.«
»Waren Sie jemals oben in der Galerie?«
»Natürlich. Sie hatten immer fabelhafte Objekte, wirklich tolle Ausstellungen.«
»Kannten Sie die beiden?«
»Nur vom Sehen, und ab und zu grüßten wir uns. Er wusste, dass ich hier arbeitete – tagsüber habe ich meistens meinen Kittel an –, also hat er sich nicht weiter mit mir abgegeben. Ich war ja kein Käufer. Aber Mrs. Caxton hatte viel Humor und war immer sehr nett zu mir. Die letzten zwei Jahre war sie nicht mehr sehr oft hier, aber davor hat sie mir öfter mal erzählt, was sie bei einer Auktion erstanden oder um wie viel sie etwas verkauft hat. Ich kannte sie nicht sehr gut, aber ich mochte sie.«
Elsa war zierlich und dünn, mit kurzem dunklem Haar und einer samtweichen Haut. Bei der Arbeit trug sie eine schwarze Malerjacke, schwarze Hosen und schwere schwarze Clogs – ein stilvolles Outfit, dass sie äußerst ruhig und konzentriert erscheinen ließ. Sie nahm sehr aufmerksam alles in sich auf, was in ihrer Umgebung vor sich ging und was ihre redseligen Kundinnen von sich gaben. Und, wie Joan Stafford zu sagen pflegte, sie war verschwiegen wie ein Grab.
»Was hast du noch gehört?«, fragte ich.
»Nur Gerüchte. Nichts Zuverlässiges.«
»Über ihren Tod?«, entgegnete ich ungläubig. Ich wäre davon ausgegangen, dass Elsa mich schon angerufen hätte, wenn sie irgendetwas gehört hätte, egal wie unzuverlässig es auch sein würde.
»Nein, nein, nein. Vor zwei Wochen gab es einen kleinen Aufruhr, vielleicht ein oder zwei Tage vor Mrs. Caxtons Verschwinden. Genevieve hat uns davon erzählt. Irgendein Streit in der Galerie.«
»Zwischen Denise und Lowell?«
»Nein, nachdem was wir gehört haben, war er, glaube ich, nicht einmal in der Stadt.«
Das stimmte mit unseren Informationen überein.
»Um was ging’s?«
»Denise kam eines Nachmittags bis obenhin mit Taschen bepackt in die Galerie, so als ob sie gerade die halbe Madison Avenue leergekauft hätte. Genevieve sagte mir, dass die meisten Angestellten zu ihr hielten, aber der Typ, der die Galerie für Lowell managte, war kein Fan von ihr. Sie erledigte, was immer sie erledigen wollte, und ging wieder. Fünf Minuten später kam der Manager buchstäblich aus der Galerie gestürzt und versuchte, Mrs. Caxton aufzuhalten, bevor sie in ein Taxi stieg. Genevieve sagte, dass er sie beschuldigte, sich mit einem Bild aus dem Staub zu machen – etwas Kleines, aber Wertvolles.«
»Kam es auf der Straße zu einer Szene?«, fragte ich.
»Es war in der Lobby. Er kam vor ihr im Erdgeschoss an. Er hielt Mrs. Caxton vor dem Informationsschalter auf und zwang sie dazu, ihn alle Taschen inspizieren zu lassen.«
»Hat sie sich geweigert?«
»Nein. So wie ich sie einschätze, hat sie die Aufregung wahrscheinlich sogar genossen. Vor aller Augen packte er ihre Einkäufe der Reihe nach aus – Unterwäsche, ein Negligé, einen Teddy, persönliche Gegenstände in der Art.«
»Und das Bild?«
»Kein Bild. Dann ging sie.
Weitere Kostenlose Bücher