Tod in Seide
wie lange wir hier sein werden?«, fragte Brigid.
»Wenn wir Glück haben und er mich ein bisschen rumschauen lässt, vielleicht eine Stunde. Falls Chapman etwas Wichtiges herausfindet, dann fahren wir allerdings sofort los, okay?«
Wie der Wetterbericht vorhergesagt hatte, lüftete sich der graue Dunstschleier etwas, und die Sonne kam langsam durch. Mir war heiß, und ich freute mich darauf, in den kühlen Ausstellungsraum eingelassen zu werden.
Wir hörten das Klicken der Sprechanlage.
»Ja?« Aus dem Knistern zu schließen, war die Anlage genauso alt wie das Gebäude.
»Alexandra Cooper, Bezirksstaatsanwaltschaft.«
»Ich mache Ihnen auf. Kommen Sie herauf – ist nicht – aber ich – oben …«
Hinter der Tür war eine alte eiserne Treppe, die an dem Lagerraum vorbei in die Galerie führte. Bevor die Tür hinter uns zufiel, hörte ich, wie Lazarro Brigids Namen rief: »Sergeant Danz will mit dir sprechen. Er will wissen, wie lange wir hier sein werden. Willst du mit ihm sprechen?«
Brigid sah mich an. »Würde es Ihnen etwas ausmachen?«
»Natürlich nicht. Geht mir genauso, wenn mein Chef anruft.«
»Können Sie hier unten einige Minuten warten, während ich telefoniere? Der Sergeant muss erst die Genehmigung einholen, dass wir über das Ende unserer Schicht hinaus arbeiten dürfen.«
Ich deutete nach oben. »Sie wissen ja, wo ich bin. Ich komme raus, sobald Chapman anruft.«
Als ich die Treppe hinaufging, sah ich unterhalb der Treppe einige Kisten stehen, in denen Dutzende von Gemälden aufbewahrt waren. Die meisten waren in braunes Packpapier oder Luftpolsterfolie eingewickelt, und alle waren mit dem Namen des Künstlers und irgendeinem numerischen Code versehen. Von kleinen Bildern, die nicht größer als zehn auf fünfzehn Zentimeter waren, bis hin zu riesigen Gemälden, die am besten in einem Museum aufgehoben gewesen wären, waren alle Größen vertreten.
Oben an der Treppe klingelte ich an einer Tür, hinter der sich ein kleiner Lift befand, der mich hinauf in Daughtrys Büro bringen würde. Als die Aufzugstür aufging, war ich wieder einmal von der Schönheit des Atriums überwältigt. Da sich der Aufzug auf der Nordseite des Gebäudes befand, hatte ich durch die Glaswand einen großartigen Blick nach Süden und auf den Himmel über der Stadt.
Die kalte Luft, die mich umfing, als ich aus dem Aufzug trat, tat gut. Sie bildete einen Gegensatz zu der nach diesem düsteren Tag so unerwartet grellen Nachmittagssonne, die nun die Galerie überflutete und auf die Gleise der stillgelegten Hi-Line Railroad niederbrannte.
Zum ersten Mal an diesem Tag nahm ich meine Sonnenbrille aus der Jackentasche.
»Hier drüben«. Ich kannte die Stimme, aber es war nicht die von Daughtry.
Ich blickte mich um und sah Frank Wrenley einen Stock tiefer auf einem der Sofas im Ausstellungsraum sitzen.
»Willkommen, Miss Cooper. Ich spiele gerade Babysitter für Bryans Kunstwerke. Er müsste jeden Moment zurück sein. Darf ich Ihnen etwas Kaltes zu Trinken anbieten?«
Mir fiel ein, dass uns Wrenley heute Vormittag in meinem Büro erzählt hatte, dass er mit Daughtrys Erlaubnis Denises Sachen durchgehen würde, um zu sehen, ob sich darunter etwas befand, was ihm gehörte. Er hielt ein Bündel Papiere in einer Hand und ein hohes Glas in der anderen.
»Soll ich runterkommen?«
»Bitte.«
Ich folgte dem Absatz zu der Eisentreppe, die ein Stockwerk tiefer führte und ging die Treppe hinab. Ich schüttelte Wrenley die Hand und akzeptierte seine Einladung, mich auf das Sofa zu setzen. Zwischen uns stand ein Glastisch, auf dem er einige Unterlagen ausgebreitet hatte, die er mit einem roten Kugelschreiber mit irgendwelchen Listen abzugleichen schien.
»Möchten Sie auch eine Bloody Mary?«
»Nein, danke.«
»Verstehe, kein Alkohol im Dienst.«
»Ich bin so erschöpft, Mr. Wrenley, dass ich wahrscheinlich sofort einschlafen würde, wenn ich Wodka auch nur riechen würde. Ihr Inventar?«
»Bryan ist unterwegs, um das Rätsel von Lowell Caxtons hastigem Aufbruch zu lösen. Er war so nett, mir einige Unterlagen zur Verfügung zu stellen, damit ich mich noch vor meinem Abflug nach Palm Beach um meine Sachen kümmern kann.« Er wedelte mit seinen Rechnungen, als ob er mich überzeugen wollte, dass er Nachweise für seinen Eigentumsanspruch hatte. »Wo ist Ihr ständiger Begleiter? Ich dachte, Sie und Detective Chapman wären unzertrennlich.«
»Er wird bald hier sein. Wir – ich hatte gehofft, Mr. Daughtry würde mir
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