Tod in Seide
irgendetwas fehlt?«, fragte Mercer. »Schmuck, Kleidung, irgendwas in der Richtung …«
»Da fragen Sie mich zu viel«, sagte Caxton. Er ging zur einzigen anderen Tür im Zimmer und öffnete sie. Dahinter wurde ein begehbarer Kleiderschrank sichtbar, der wahrscheinlich größer war als die meisten Einzimmerapartments in Manhattan. Die Kleidung war nach Kategorien – Kleider, Hosen, Anzüge, Abendkleider – und innerhalb dieser Kategorien nach Farben sortiert. »Der weniger wertvolle Schmuck ist dort hinten in dem Safe. Der wertvollere – Erbstücke von meiner Mutter und grand-mère – befindet sich in einem Tresorraum. Ich werde natürlich diese Woche dort nachsehen lassen. Wenn Sie hier genug gesehen haben, gehen wir in Denis Büro.«
Ich hätte mich gerne noch etwas länger im Schlafzimmer umgesehen, aber es blieb uns nichts anderes übrig, als Caxton gehorsam ein Stück den Flur zurück zum nächsten Zimmer zu folgen.
Auf einer Seite dieses riesigen Arbeitszimmers hatte Denise ein thronartiges Lager für sich geschaffen. Den Mittelpunkt bildete ein Tisch aus dem fünfzehnten Jahrhundert, den Lowell, wie er uns erzählte, in einem umbrischen Kloster gefunden hatte. Der Tisch fungierte alsbald als ihr Schreibtisch; als einziger Schmuck zierte ihn eine Fabergé-Uhr. Gegenüber Denises hochlehnigem Ledersessel standen zwei Stühle, von deren Sorte sich noch vier weitere im Zimmer befanden. An den Wänden hingen Bilder, die mir völlig fremd waren – alle von zeitgenössischen Künstlern, von denen ich keinen Einzigen kannte.
Caxton ging hinter den Schreibtisch und setzte sich in Denises Sessel. Er sah sich im Zimmer um, als ob er es zum ersten Mal aus dieser Perspektive betrachten würde, und forderte uns dann auf, uns zu setzen und ihm noch weitere Fragen über Denise zu stellen.
»Wann, meine Herren, fragen Sie mich, wer ihre Feinde waren?«
»Wann immer Sie wollen. Ist die Liste lang?«, fragte Chapman.
»Ich würde sagen, das hängt davon ab, wo Sie sich innerhalb der Kunstszene befinden. Da wäre zum einen ein verärgerter artiste , der der Meinung ist, dass seine Händlerin eine zu hohe Provision für seine Arbeit eingesteckt hat. Sie brauchen sich nur umzuschauen, um zu sehen, wie viele es davon möglicherweise gibt. Dann sind da die Kunden, die dahinter gekommen sind, dass sie auf Anraten des Händlers zu viel für ein Gemälde bezahlt haben, das ihnen nicht einmal gefällt und das sie nun nicht annähernd für den Preis wieder verkaufen können, zu dem sie es eingekauft haben. Es gibt in dieser Branche niemanden, der nicht irgendwann beschuldigt wird, eine Fälschung verkauft zu haben, ob aus Versehen oder mit Absicht. Und dann ist da noch der momentane Wirbel um die Auktionshäuser. Die Regierung beschuldigt die Verkäufer, die Gebote zu manipulieren, um die Preise in die Höhe zu treiben. Auf den ersten Blick ist die Kunstbranche eine Welt exquisiter Schönheit und Kultiviertheit. Aber sobald man hinter die Fassade blickt, ist sie genauso schmutzig und gnadenlos wie jedes andere Geschäft.«
Mercer beugte sich vor und legte seinen Notizblock auf die Knie, als er die Themen durchging, zu denen er Caxton noch befragen wollte. »Dann brauchen wir also eine Kundenliste sowie die Adressen, Telefonnummern und so weiter der Maler, die sie vertrat.«
»Darüber sprechen Sie am besten mit Denis Partner.«
»Ich dachte, Sie wären ihr Partner«, sagte Mike.
»Wie ich bereits sagte, habe ich ihr die Galerie im Fuller Building eingerichtet. Ohne den Namen Caxton hätte sie wahrscheinlich nicht einmal die Mona Lisa verkaufen können, falls diese auf den Markt gekommen wäre. Ich verschaffte ihr Zutritt zur vornehmen Gesellschaft Manhattans – alter Reichtum, große Wände, viel Geld. Aber sobald sie sich etabliert hatte, machte sie ihr eigenes – ein recht florierendes – Geschäft auf, mit einem stillen Teilhaber, der den gleichen Geschmack hatte wie sie. Sie haben vielleicht schon von ihm gehört – Bryan Daughtry? Die Galerie heißt ›Galleria Caxton Due‹.«
Mercer und mir war Daughtry natürlich ein Begriff. Er war Verdächtiger in einem bizarren Mordfall in einem benachbarten Bezirk gewesen – zwar außerhalb unserer Gerichtsbarkeit, aber genau auf unserer Schiene. Chapman biss an. »Das tote Mädchen in der Ledermaske? Der Daughtry?«
»In der Tat, Mr. Chapman. Daher war ich ja so dankbar, dass er nur ein stiller Teilhaber war. Deni war von dem Skandal gänzlich unbeeindruckt. Das hat
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