Tod in Seide
ihr bei ihrer Sorte Kunden vielleicht sogar geholfen. Bryan kam völlig ungeschoren davon, die Sache hat seinem Ruf keinen Schaden getan. Ich habe heute noch nicht mit ihm gesprochen, aber er kennt natürlich jeden, mit dem sie beruflich zu tun hatte.«
»Hat er auch einen Anteil an Ihrem Geschäft in der Fiftyseventh Street?«, fragte ich.
»Keinen Cent. Nicht einen Farbklecks.«
»Wo ist die Galerie? In Soho?«
»Sie scheinen nicht auf dem Laufenden zu sein, Detective Wallace. Soho ist out. Das Viertel ist heutzutage ein riesiges Shopping-Center, aber doch keine kreative Hochburg mehr.«
Die Gegend zwischen Houston und Canal Street war in den Sechziger- und Siebzigerjahren das Zentrum der künstlerischen Avantgarde gewesen. Künstler, die sich die Mieten in Midtown nicht leisten konnten, aber viel Platz für ihre überdimensionalen Leinwände brauchten, renovierten die Lofts und Lagerhäuser, in denen nur noch die Ratten gehaust hatten. Auf Grund dieser Invasion und seiner Umbenennung in »Tribeca« – the triangle below Canal , das Dreieck unterhalb der Canal Street – gewann der alte, vormals Washington Market genannte Schlachtbezirk an Chic. In den späten Achtzigern verdrängten Designerboutiquen, Kettenläden und Einrichtungsgeschäfte mit ihren allgegenwärtigen Votivkerzen die Galerien.
Caxton schilderte den Exodus. »Mitte der Neunzigerjahre verlegte Paula Cooper ihr Geschäft hinauf nach Chelsea, in die West Twenties zwischen der Tenth und Eleventh Avenue. Sind Sie in letzter Zeit mal dort gewesen?«
»Wenn Sie Alex erst einmal näher kennen, Mr. Caxton, werden Sie solche Fragen nicht mehr stellen«, sagte Chapman. »Sie isst, schläft, und kauft niemals außerhalb ihrer Postleitzahl ein. Es stellen sich ihr die Haare senkrecht, wenn sie nur das Wort ›West Side‹ hört, hab’ ich Recht, Coop?«
»Da haben wir vieles gemeinsam«, antwortete Caxton und lächelte mich an. »Paula Cooper – nicht verwandt, nehme ich an?«
»Nein, ich kenne sie nur vom Hörensagen.« Und weil mein Vater einige Bilder von ihr gekauft hat, dachte ich im Stillen. Ich erinnerte mich besonders an eins von Jennifer Bartlett, das ich sehr mochte.
»Nun«, fuhr Caxton fort, »sie setzt die Maßstäbe in unserer Branche und fungiert als ihr Leithammel. Die wahren Gründe für ihren Umzug kenne ich nicht, aber man darf wohl vermuten, dass es etwas mit den Veränderungen in Soho zu tun hatte. In Chelsea gab es riesige Lagerhäuser. Vor fünfzig Jahren, als die Ozeandampfer noch an jedem Pier entlang des Hudson andockten und dort an die Eisenbahnen angeschlossen waren, war es ein Handelszentrum. Heute sind in den Lagerhäusern Autoreparaturwerkstätten und Taxizentralen untergebracht – riesengroß und funktional, aber nicht sonderlich attraktiv. Paula fand einen fantastischen Raum in der Twentyfirst Street. Machte ihn sauber, setzte einige Oberlichter ein, tünchte die Wände weiß, und jeder, der gedacht hatte, dass sie verrückt sei, merkte plötzlich, welch genialer Streich ihr da gelungen war. Deni und Bryan fingen vor zwei Jahren an, dort in der Gegend Grundstücke aufzukaufen mit dem Plan, zusammen ein neues Geschäft zu eröffnen. Seither sind die Immobilienpreise dort ins Astronomische gestiegen. Es ist direkt ärgerlich, dass ich ihnen am Anfang nicht glauben wollte. Allein mit den Grundstücken hätte ich ein Mordsvermögen machen können.« Caxton hielt inne. »Keine gute Wortwahl heute, nehme ich an?«
Reue schien nicht gerade seine Stärke zu sein.
»Und das Kokain? Wo bekam sie das her?«
»Damit fing sie erst vor vier oder fünf Jahren an. Etwa um die gleiche Zeit herum, als sich ihr Kunstgeschmack so radikal änderte. Deni wusste, wie sehr ich ihren Drogenkonsum missbilligte. Ich konnte nur Witze machen, dass man high sein musste, um die Werke zu schätzen, die sie an den Pöbel verhökern wollte.«
»Wissen Sie, von wem sie den Stoff bekam?«, fragte Mercer.
»Ich glaube, sie bekam ihn von den Kids, die in der Nähe der Galerien herumhingen. Nachdem sie abhängig geworden war, rief sie einfach irgendjemanden an, der gerade nicht im Gefängnis saß, und prompt kam eine Lieferung frei Haus und wurde von den Portiers mit ihren weißen Handschuhen nach oben gebracht. Normalerweise in einer Duftmischung oder in einer Tasche mit Delikatessen von Dean & Deluca versteckt.«
»Schuldete sie irgendjemandem Geld? Irgendwelchen Lieferanten?«
»Dafür sehe ich keinen Grund. Sie hatte mehr als genug Geld, um
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