Tod in Seide
die Gürtellinie nicht verkneifen. »Dachte ich mir schon, dass Sie sich dort nicht außerhalb der Saison beim Sie-wissen-schon-was erwischen lassen würden, hab’ ich Recht?«
Caxton beachtete ihn nicht.
Ich kannte das kleine Paradies in der Karibik gut. Meine Eltern besaßen dort ein Haus, in dem sie die Wintermonate verbrachten, seit sich mein Vater zur Ruhe gesetzt hatte. Die Cooper-Hoffman-Klappe, die er und sein Partner als junge Ärzte entwickelt hatten, hatte nicht nur das damals neue Feld der offenen Herzchirurgie revolutioniert, sondern ihm auch einen Lebensstil ermöglicht, der es ihm erlaubte, in diesem französischen Urlaubsort zu wohnen und weiterhin zu Vorträgen und Konferenzen um die ganze Welt zu reisen. Es dürfte nicht schwer für mich sein, über meine Kontakte auf der Insel etwas über die Caxtons herauszufinden.
»Ich schlage vor, Sie fragen Bryan Daughtry, wenn Sie mit ihm sprechen, nach dem Überfall auf den Lastwagen Ende Juni. Der Truck transportierte Gemälde – vor allem Delia Spigas, glaube ich, ziemlich schreckliche Bilder. Ich weiß nicht, ob sie die Kunstwerke jemals wiedergefunden haben, aber der Diebstahl hatte Deni damals völlig verrückt gemacht.«
Mercer setzte den Vorfall auf seine Liste.
»Können wir noch ein paar Minuten mit Valerie sprechen?«, fragte ich in der Hoffnung, noch mehr über Denises Privatleben zu erfahren.
»Es tut mir sehr Leid, dass ich nicht daran gedacht habe, aber ich habe ihr den Rest des Tages freigegeben. Ich wies Maurizio an, ihr zu sagen, dass sie gehen könne, nachdem sie uns den Tee gebracht hatte. Sie wird genug für uns alle trauern, Miss Cooper. Ich sage ihr natürlich Bescheid, dass Sie sich mit ihr in Verbindung setzen werden. Jetzt muss ich Sie bitten, mich allein zu lassen, damit ich mich auf morgen vorbereiten kann. Ich muss mich um den Gottesdienst im Beerdigungsinstitut Frank Campbell kümmern, einen Priester finden, einen passenden Psalm aussuchen, und so weiter. Ich befürchte, Deni hatte nur einmal etwas mit der Kirche am Hut, als sie sich fast überschlug, um dieses unglaubliche Velazquez-Porträt von Innozenz dem Zehnten zu kaufen.«
Caxton öffnete die Tür, die auf den Flur vor den Aufzug hinausführte. »Sehen Sie, Miss Cooper, nur wenigen Leuten ist bewusst, dass es in der Welt, in der Deni und ich uns bewegten, eine bittere Tatsache gibt, was den Wert der Dinge angeht. Mehr als neunzig Prozent der in Amerika verkauften Kunstwerke erzielen nicht im Entferntesten die Preise, wenn die Käufer sie wieder verkaufen wollen.« Er hielt inne und zögerte noch, uns den Rücken zuzukehren. »Das traf auch auf Deni zu, und ich glaube, dass ihr diese Tatsache langsam dämmerte. Es war ihr einmal ganz hervorragend gelungen, sich selbst zu erschaffen und zum Höchstpreis auf dem Markt zu verkaufen. Ich bin mir nicht sicher, dass sie das – ihren Erfolg, wenn Sie so wollen – hätte wiederholen können. Sehr traurig das, finden Sie nicht auch?«
Er schloss die Tür hinter sich, ohne abzuwarten, bis wir gegangen waren.
8
Es war noch nicht einmal zwölf Uhr mittags, als wir aus der Vorhalle des Gebäudes, in dem Caxton wohnte, auf den Gehsteig vor dem Coop auf der Fifth Avenue traten. Die Temperaturen waren schon auf über dreißig Grad geklettert, und wie hoch die Luftfeuchtigkeit war, ließ sich am besten daran erkennen, dass sich meine Haare im Nacken umgehend zu kleinen Ringellöckchen drehten.
»Ich sag’s ja nicht gern«, bemerkte Mike, »aber nach einer Stunde bei diesem aufgeblasenen Lackaffen fühlt sich sogar das wie Frischluft an. Wohin jetzt?«
»Ich muss ins Büro. Die Anhörungen sollen morgen abgeschlossen werden, und ich muss noch das Schriftstück fertig machen, das ich nach meinem Plädoyer einreichen werde.«
»Ist P. J. Bernstein’s klimatisiert?«
»Ja.« In dem Feinkostladen in der Nähe meiner Wohnung verbrachte ich am Wochenende für gewöhnlich meine Vormittage.
»Lasst uns dort frühstücken und unsere Aufgaben verteilen. Danach kann dich einer von uns ins Büro fahren, abgemacht?«
Ich fuhr die kurze Strecke zur Third Avenue bei Mercer mit. Wir fanden einen Parkplatz direkt vor dem Geschäft, was auch nur im August möglich war. Midtown Manhattan war an Sommerwochenenden wie ausgestorben, da die meisten New Yorker entweder im Urlaub waren, zu ihren Strandhäusern in den Hamptons beziehungsweise an der Küste New Jerseys pendelten oder Tagesausflüge zum Jones Beach oder zum Swimmingpool von
Weitere Kostenlose Bücher