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Tod in Seide

Tod in Seide

Titel: Tod in Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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machen, wie sie gewohnt hat. Wäre Ihnen das Recht?«
    Chapman war auf den Beinen, noch bevor ich antworten konnte. Als Caxton auf die Schiebetür zuging, beugte sich Mike nach vorne und flüsterte mir zu: »Gut gemacht, Blondie. Klimper nur weiter mit den Wimpern, und du könntest die vierte Mrs. Lowell Caxton werden. So wie’s aussieht, ist das allerdings eher eine Stellung auf Zeit.«
    Als die Schiebetür aufging, konnte ich von hinten einen Mann sehen, der mit einem schwarzen Lederkoffer in der Hand gerade im Eingangsbereich verschwand, der vom Wohnzimmer zum Aufzug führte. Mercer stupste Chapman an: »Voilà – Kardashian mit den blutigen Klamotten O. J. Simpsons.«
    »Mr. Caxton«, sagte Chapman, »es wäre sehr freundlich, wenn Sie diesen Gentleman zurückrufen könnten, bevor er die Wohnung mit irgendwelchen Sachen verlässt, die wir uns eventuell ansehen müssen.«
    »Ich darf doch davon ausgehen, Detective, dass Sie keinen Durchsuchungsbefehl für mein Gepäck haben?«
    Als Mike und Mercer schwiegen, fuhr Caxton fort: »Das war Maurizio. Er hat nur den Koffer, mit dem ich heute Morgen angekommen bin, ausgepackt und trägt ihn nun in den Keller. Ich muss Sie leider enttäuschen.« Wir hörten, wie sich die schweren Aufzugstüren schlossen.
    Er führte uns vorbei an dem Picasso und zeigte auf drei Türen am anderen Ende des Raums. »Die hinterste Tür führt zur Küche und zu den Wohnräumen der Bediensteten. Dieser Teil braucht Sie nicht weiter zu beschäftigen, außer Sie verdächtigen den Butler, Mr. Chapman. Die anderen beiden sind – das heißt, waren – unsere getrennten Wohnungen. Und sind es immer gewesen. Auch als wir uns noch sehr gut verstanden haben, hatten wir jeder unsere eigenen Räume. Verschiedene Lebensstile, verschiedene Geschmäcker. Ich billigte weder die Drogen, noch konnte ich etwas mit Denis jüngster Leidenschaft für moderne Kunst anfangen. In letzter Zeit interessierte sie sich für sehr schrille, abstrakte Gemälde.« Wir folgten Caxton durch die Tür zu Denises Wohnbereich. »Wissen Sie, meine Herren, es mag sich etwas griesgrämig anhören angesichts der Tatsache, dass für meine Frau gerade ein Sarg angefertigt wird, aber wenn Ihr Dezernat den Anschlag auf mich etwas ernster genommen hätte, dann wäre Deni das vielleicht nicht passiert.«
    Mercer, Mike und ich sahen uns sichtlich verdutzt an.
    »Ist niemand von Ihnen vom 19. Revier? Das ist die Dienststelle, die die Untersuchungen leitet«, erklärte Caxton.
    »Nein. Könnten Sie uns erzählen, was passiert ist?«
    Chapman war ganz offensichtlich verärgert, dass wir ohne diese wichtige Information hierher gekommen waren. »Vor sechs Wochen war ich auf dem Heimweg vom Whitney Museum of American Art und ging, mit einem Styroporkaffeebecher in der Hand, über die Madison Avenue. Da kam ein Auto, fuhr langsamer, der Mann im Beifahrersitz richtete eine Waffe auf mich – alles geschah so schnell, ich konnte nur seine Hand sehen –, und dann hörte ich einen Schuss und fühlte einen stechenden Schmerz am Kopf. Als Nächstes erinnere ich mich nur, dass ich auf dem Bordstein saß und Passanten angerannt kamen, um mir zu helfen. Ich hielt sogar noch den Kaffee in der Hand.« Caxton neigte seinen Kopf und scheitelte mit den Händen sein silbernes Haar. »Man kann die Narbe sicher noch sehen, wie eine Naht quer über meinen Schädel. In dem Augenblick war ich mir ziemlich sicher, dass ich tot sei. Ich dachte noch: So ist es also, wenn man stirbt. Kein Schmerz, gar nichts. Erst als mir nach ein paar Sekunden das Blut ins Gesicht lief, merkte ich, dass mich die Kugel nur gestreift hatte und ich nicht ernsthaft verwundet war. Wenn mich wirklich jemand umbringen wollte, dann hatte derjenige jemanden angeheuert, der nicht mal richtig schießen konnte. Ich kann mich hoffentlich darauf verlassen, dass Sie herausfinden werden, ob Denis Tod etwas damit zu tun hat, nicht wahr?«
    Er drehte sich um und ging voraus, um in dem düsteren Flur das Licht einzuschalten. »Das Einzige, worauf ich mich verlassen kann«, sagte Chapman, »ist, dass irgendein Arschkriecher von Lieutenant im 19. Revier seine Zahlen für den Polizeipräsidenten frisiert hat. Wenn ich dort anrufe und die Akte anfordere, finde ich mit größter Wahrscheinlichkeit heraus, dass die Ermittlungen unter der Rubrik ›Ordnungswidriges Verhalten‹ anstatt ›Versuchter Mord‹ laufen. Gott bewahre, dass man die braven Bürger der Upper East Side in Aufregung versetzt, indem man

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