Tod in Seide
als alles zu glauben, was in den Zeitungen steht, junge Lady. Deni war gerade Miss Oklahoma geworden und beim Miss-America-Wettbewerb weit abgeschlagen auf einem der hinteren Plätze gelandet.« Mit einem leichten Kopfnicken zu mir fuhr Caxton fort: »Sie steckten damals wahrscheinlich ihre Nase noch zu tief in die Schulbücher, um sich den Wettbewerb anzusehen. Deni war das Mädchen aus Idabel, sah toll aus, hatte aber kein nennenswertes Talent. Sie zog einen Monolog aus Wie es euch gefällt dem Wirbeln eines Batons vor. Nicht gerade das, was die Zuschauer sehen wollten. Sie nahm ihre 10000 Dollar Preisgeld und verschwand. Sie schlug sich irgendwie bis Florenz durch, um dort Kunst zu studieren, wovon sie zu der Zeit absolut keine Ahnung hatte. Sie glaubte, wenn Andy Warhol es schaffte, die Welt an der Nase herumzuführen, könne auch sie ihre Nische finden. Ich entschloss mich, es meinem Großvater gleich zu tun, Miss Cooper. Was Denise an Kinderstube fehlte, das machte sie an – nun, wie soll ich sagen? – Elan wieder wett. Sie hatte eine unheimlich schnelle Auffassungsgabe, und es gefiel mir, ihr etwas beizubringen. Sie brauchte mich, um ihr eine angemessene Provenienz zu verschaffen, so wie es ein intelligenter Fälscher mit einem guten Gemälde macht. Ich kreierte für Deni eine vage und etwas mysteriöse Biografie: als Kind verwaist, aber Inhaberin eines Treuhandvermögens und aufgewachsen in einer Reihe von ausländischen Internaten. Ich holte sie von der pensione , in der sie wohnte, ins Excelsior, wo ich mich für gewöhnlich aufhielt, wenn ich in der Stadt war, und besorgte ihr Privatunterricht in Französisch und Italienisch – erstere Sprache beherrschte sie ganz ordentlich, letztere passabel. Die meisten Männer, die sie kennen lernte, waren fasziniert von ihr und übersahen die kleinen Ungereimtheiten. Was die Frauen über sie dachten, war ihr ziemlich egal. Denise hatte nie den Ehrgeiz, es allen Recht zu machen.«
»Wie dachte Ihre zweite Frau über sie, Mr. Caxton?« Mike war ganz offensichtlich fasziniert von den Lebensumständen des nun dreifachen Witwers.
»Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob sie je von Deni wusste. Das Schnellboot, in dem sie fuhr, kenterte, und sie war sofort tot. Damals kannte ich Deni erst einige Jahre. Die ganze Sache entwickelte sich geradezu perfekt zu meinen Gunsten. Und ja, Mr. Chapman, es gab eine gerichtliche Untersuchung zur Feststellung der Todesursache. Tod durch Unfall. Ich bin mir sicher, Maurizio, mein Assistent, kann Ihnen alle erforderlichen Unterlagen besorgen.«
»Wie lange gehört Ihnen die Galerie im Fuller Building schon?« Mercer wollte, dass wir langsam über aktuellere Ereignisse sprachen.
»Deni und ich kamen vor zwölf Jahren nach New York zurück. Wir kauften diese Wohnung, damit sie die Galerie eröffnen konnte. Für mich war es Befriedigung genug, die Meisterwerke zu finden und zu sammeln – über ein Jahrhundert an Caxton-Geschmack, mit dem ich mich in der Abgeschiedenheit meiner eigenen vier Wände umgeben kann, wohlgemerkt nicht nur aus Eigennutz. Ich stelle oft Teile des Besitzes Ausstellungen zur Verfügung, wenn ich darum gebeten werde, und viele meiner Fehleinkäufe befinden sich mittlerweile in amerikanischen oder europäischen Museen. Aber Denise liebte auch das Spiel selbst. Am Anfang reichte es ihr noch, wenn ich sie mit einzigartigen Kunstwerken oder Juwelen beschenkte. Später dann nicht mehr. Sie kam aus ärmlichen Verhältnissen – ihr Vater war Sojabohnenfarmer –, und sie wollte beweisen, dass sie genauso klug war wie alle anderen in der Branche. Ihr gefiel der ganze Kunstbetrieb. Sie liebte es, eine Geschmacksbildnerin zu sein, wenn man es so nennen will. Aber das haben Sie ja wahrscheinlich schon alles herausgefunden.«
Jetzt ärgerte ich mich doppelt, dass ich mit meiner Bemerkung angedeutet hatte, etwas über die Caxtons zu wissen. »Ganz und gar nicht, Mr. Caxton. Entschuldigen Sie, aber ich habe nur versucht, ein paar berufliche Informationen über Mrs. Caxton zu bekommen, nachdem wir sie identifiziert hatten. Es ist immer hilfreich, so viel wie möglich über das Opfer zu wissen – um zu verstehen, warum es jemand auf sie abgesehen hatte. Das heißt, vorausgesetzt natürlich, ihre Nächsten gestatten diese Art von Nachforschungen.«
»Was immer Sie wissen wollen, Miss Cooper. Vielleicht würde es Ihnen helfen, wenn wir zu Denis Räumen hinübergehen, dann können Sie sich selbst einen Eindruck davon
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