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Tod in Wacken (German Edition)

Tod in Wacken (German Edition)

Titel: Tod in Wacken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Denzau
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fuhr er mit dem Strick unter dem Kopf des Alten entlang bis zu
dessen Hals, überkreuzte seine Unterarme und zog. Seine Armmuskulatur musste
alle Kraft aufbieten, denn der im Schlaf Überraschte entwickelte ebenfalls
Kräfte, mit denen er nicht gerechnet hatte. Doch der Widerstand des Alten war
nur von kurzer Dauer.
    Als der Körper vor ihm
erschlaffte, zog er seine Hände langsam zurück. Wie von Sinnen fuhr er mit
seinen Fingern unter die Wollmütze und scheuerte über seine juckende Haut.
    Er war erlöst.
    Aber der Anflug von
Euphorie hielt nur Sekunden. Dies war erst der Anfang.
    Hastig zog er die kleine
Mag-Lite wieder aus seiner Jackentasche und drehte sie an. Mit einem Ruck zog
er die Bettdecke zur Seite. Ein fleckiger, durchlöcherter Seemannstroyer über
einer abgewetzten Cordhose kam zum Vorschein. Er ließ den Lichtkreis über das
Gesicht des Alten gleiten. Leere Augen stierten ins Nichts. Der von grauen
Bartstoppeln umrahmte, leicht geöffnete Mund zeigte ein lückenhaftes Gebiss. Im
Oberkiefer fehlte ein Schneide-, im Unterkiefer ein Eckzahn. Die Hände waren
schwielig, und die ungepflegten Fingernägel trugen einen gleichmäßigen
schwarzen Rand. Seltsam fehl am Platz wirkte der breite silberne Ring am
Ringfinger der linken Hand.
    Kurz streifte der
Lichtkegel die wenigen Einrichtungsgegenstände. Ein kleines schäbiges
Nussbaumbüfett, daneben, auf dem verdreckten fadenscheinigen Teppich, eine halb
leere Flasche Oldesloer Korn. Ein zusammenklappbarer, vollgemüllter
Campingtisch, zwei Hocker, ein Holzstuhl. Ein Gasofen. Ein Gaskocher. Wenig
Geschirr. Ein kleines Bord mit Zwieback, Marmelade und auf einem Teller ein
Stück Käse. In der Ecke zwei Eimer Wasser neben einer Kiste voll schrumpeliger
Äpfel. Ein dritter Eimer neben dem Bett zeigte durch deutliche Spuren, wozu er
diente.
    Angeekelt wandte er den
Blick ab. Hatte der Alte seine Scheiße draußen vergraben?
    Er atmete tief durch. Es
spielte keine Rolle. Das Feuer würde den Dreck heiß und gierig wegbrennen.
Brennen. Brennen.
    Wenn es nur erst
brannte!

EINS
    Lyn hob ihren Kopf von
Hendriks Brust und hauchte einen Kuss auf seine Lippen.
    »Ich muss …«, flüsterte
sie und schob seufzend die Bettdecke von ihrem Körper.
    »Gar nichts musst du«,
erwiderte Hendrik mit einem Lächeln in der Stimme und griff nach ihr, als sie
aufstand. Er zog sie zurück ins Bett, rollte sich auf sie und hielt ihre Hände
mit seiner Linken über ihrem Kopf zusammen. Als seine Lippen unter ihrem Ohr
begannen, sich hinunterzuarbeiten, seufzte sie wohlig.
    »Hör auf, Hendrik, bitte
… Ich muss los. Die Kinder warten«, sagte sie gequält, als er ihre Brüste
erreichte.
    Mit einem Ruck warf er
sich auf die Seite. »Verdammt, Lyn!« Seine Augen waren dunkel vor unterdrückter
Wut. »Wann sagst du es ihnen endlich? Seit Monaten hüpfst du zweimal die Woche
nach Feierabend zu mir ins Bett, um nach einer Stunde aufzuspringen und zu
verschwinden. Mein Gott, sie sind doch keine Kleinkinder mehr! Sie werden
Verständnis dafür haben, dass ihre Mutter einen neuen Partner hat.«
    Jetzt war er es, der die
Decke zur Seite warf und aus dem Bett sprang. Nackt lief er zum CD -Player und hämmerte auf die Stopp-Taste. Die
Adoro-Tenöre verstummten mitten im Song.
    »Ich möchte, dass du in
meinem Arm einschläfst und morgens darin aufwachst«, sagte er ruhig, nachdem er
tief durchgeatmet hatte. »Wenigstens ab und zu. Ist das zu viel verlangt? Wir
müssen ja nicht hier schlafen. Ich komme auch zu dir nach Wewelsfleth. Wir
essen gemeinsam mit den Mädchen, sehen fern oder spielen Memory oder was weiß
ich, was Kinder so spielen.«
    Lyn hatte ihm stumm
zugehört, aber jetzt lachte sie auf. »Memory! … Du hast wirklich keine Ahnung
von pubertierenden Mädchen. Ich–«
    »Wie denn auch?«, fiel
Hendrik ihr ins Wort. »Du lässt mir ja keine Chance!«
    Betretenes Schweigen
breitete sich wie ein übler Geruch zwischen ihnen aus.
    »Ich …«, setzte Lyn an,
während sie nach Slip und BH griff und beides
anzog, »also … ich bin einfach noch nicht so weit. Die Mädchen haben die
Scheidung noch nicht verarbeitet. Sie vermissen ihren Vater. Und die Kollegen …
ich möchte einfach nicht, dass die Kollegen wissen, dass du und ich … na ja,
dass da etwas ist.«
    »Dass da etwas ist?«
    Lyns Schultern schoben
sich unter seinem Blick nach oben. Enttäuschung und Trauer las sie in seinen
Augen. In seinen wundervollen grauen Augen. Sie seufzte und ging auf ihn zu.
    »Du weißt schon, wie

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