Tod ist nur ein Wort
ebenso wenig gedacht wie daran, dass ihre unterschiedliche Schuhgröße ein Problem sein könnte. Es gelang ihr gerade mal, nicht zu humpeln, doch sie rang sich ein strahlendes Lächeln ab.
“Diese sind wunderbar bequem”, sagte sie. “Insofern bin ich bereit. Je eher wir fahren, desto früher sind wir zurück.”
“Wohl wahr”, murmelte er. “Obwohl ich glaube, dass Sie, was die Schuhe angeht, nicht ganz aufrichtig sind.”
Sein Tonfall schien anzudeuten, dass er sie auch in anderer Beziehung für nicht ganz aufrichtig hielt. Oder ihre Fantasie ging wieder mit ihr durch.
Er fuhr einen Porsche. Wie passend, dachte Chloe, als sie sich auf den Beifahrersitz gleiten ließ. Er hatte auf sie gewartet, damit sie ihre Handtasche holen konnte, und sie hatte jedes Paar Schuhe von Sylvia anprobiert, doch die anderen waren noch schlimmer. Schließlich nahm sie nur einen Mantel und ging hinunter, wo er sie bei seinem kleinen Sportwagen erwartete.
Da es bewölkt war, hatte er wenigstens das Verdeck geschlossen. Trotz des Wetters trug er eine dunkle Sonnenbrille. Mit verschränkten Armen lehnte er an seinem Wagen und wartete auf sie. Er trug einen anderen Seidenanzug, wahrscheinlich Armani, dazu ein helles Seidenhemd ohne Krawatte. Sein schwarzes Haar hatte er zurückgekämmt, sein Gesichtsausdruck war undurchdringlich. Er öffnete ihr die Beifahrertür. Aus irgendwelchen Gründen fand Chloe das Wageninnere sehr intim, zu intim.
Doch ihr fiel beim besten Willen keine Ausrede ein, um nicht mitzufahren. Sie zog Sylvias Hermès-Handtasche die Schulter hinauf, straffte den Rücken und stieg in den tiefergelegten Wagen, wobei sie Bastiens hilfsbereite Hand ignorierte. Sie hörte ihn lachen, als er die Tür hinter ihr zuwarf.
In dem kleinen Sportwagen wirkte Bastien noch größer, als sie ihn im Château wahrgenommen hatte. Und noch eleganter … Er hatte den Sitz weit nach hinten gestellt und sah kurz zum Himmel auf, bevor er den Motor startete.
“Sind Sie sicher, dass Sie keinen Regenschirm mitnehmen wollen?”, fragte er. “Das Wetter sieht unbeständig aus.”
Sylvia hatte keinen Regenschirm eingepackt. “Wir können nur hoffen, dass es nicht anfängt, bevor wir wieder zurück sind. Aber wir sollten nicht lange brauchen. Ich muss nur ein paar Romane für Monsieur Hakims Gäste aussuchen, dann können wir zurückfahren.”
“Was ist mit dem Lunch?” Er fuhr die lange gewundene Auffahrt des Châteaus hinunter.
“Ich bin nicht hungrig”, log sie. “Und außerdem kann ich etwas essen, wenn wir wieder zurück sind.”
“Wie Sie wollen, Chloe”, sagte er mit einer Stimme, die so seidig war wie sein kohlegrauer Anzug, so seidig wie die gebräunte Haut an seinen schmalen Handgelenken. Seine Hände auf dem Lenkrad waren schlank und wohlgeformt, und an der rechten Hand trug er einen Ehering. Natürlich tat er das. Gleichzeitig wirkten seine Hände sehr kräftig. “Schnallen Sie sich lieber an. Ich fahre recht schnell.”
Sie wollte schon protestieren, unterließ es jedoch. Sie sollte sich inzwischen an die verrückten Geschwindigkeiten in Europa gewöhnt haben, und je schneller er fuhr, desto schneller wäre es vorbei. Sie legte den Sicherheitsgurt an und lehnte sich in den Ledersitz zurück.
“Ich nehme an, dass Sie sich nicht mit mir unterhalten wollen?”, fragte er.
Sie sprachen Englisch, fiel ihr erst jetzt auf.
Ihr war keinesfalls nach leichter Konversation zumute, weder in Französisch noch in Englisch, da leichte Konversation für ihn einen Flirt bedeutete und sie über seinen Ehering nicht hinwegsehen konnte. “Ich bin sehr müde”, entgegnete sie und schloss die Augen.
“Dann mache ich etwas Musik an.” Kurz darauf erfüllte die Stimme von Charles Aznavour den Wagen, und Chloe unterdrückte ein Seufzen. Sie hatte schon immer eine Schwäche für Aznavour gehabt; seine Stimme ließ sie dahinschmelzen.
Sie konnte sich darin verlieren, vergessen, wer neben ihr saß. Nur, dass Bastien nicht einfach zu ignorieren war. Auch ohne dass er sprach, erfüllte er ihre Sinne – der dezente Duft seines teuren Parfums kitzelte ihre Nase, sein gleichmäßiges Atmen war wie Musik in ihren Ohren.
Das Parfum war auf geradezu hinterhältige Weise anziehend. Sie erwog, ihn nach dem Namen zu fragen, damit sie es ihren Brüdern schenken konnte. Auf den zweiten Blick aber schien das keine gute Idee. Sie würde diesen Duft niemals riechen können, ohne an Bastien Toussaint denken zu müssen, und je früher dieser
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