Tod ist nur ein Wort
Dem Handel mit Waffen, die an den Meistbietenden verkauft wurden.
Immerhin ging es diesmal nicht um Drogen. Beim Heroinschmuggel hatte er sich nie recht wohlgefühlt. Eine dumme sentimentale Anwandlung – schließlich entschieden sich Menschen, Drogen zu nehmen, wohingegen sie sich nicht entschieden, von einer der Waffen erschossen zu werden, die er verkaufte. Wahrscheinlich ein Rückfall in sein früheres Leben, das schon so lange hinter ihm lag, dass er sich kaum mehr daran erinnern konnte.
Es war ein kühler klarer Wintertag. Ein entfernter Geruch von Äpfeln lag in der Luft und man hörte das beruhigende Scharren der Gärtner, die vor dem lang gestreckten Anwesen die Blätter zusammenharkten. Die meisten Bediensteten trugen Waffen unter ihrer weiten Kleidung. Halb automatische Gewehre, unter Umständen Uzis. Möglicherweise Waffen, die er geliefert hatte.
Welche Ironie, wenn er durch eine davon getötet würde.
Er ließ die Zigarette fallen und trat sie aus. Irgendjemand würde kommen und die Kippe entsorgen, irgendjemand, der auch ihn entsorgen würde, wenn ihm das befohlen wurde. Seltsamerweise berührte ihn das nicht im Geringsten.
Hinter ihm öffnete sich eine Tür, und Gilles Hakim trat hinaus ins Freie. “Bastien. Wir nehmen den Kaffee in der Bibliothek. Wollen Sie uns nicht Gesellschaft leisten? Wir warten nur noch, bis die Dolmetscherin auftaucht.”
Bastien wandte sich um und folgte Hakim ins Haus.
2. KAPITEL
C hloe hatte viel zu viel Zeit, über ihre Unbesonnenheit nachzudenken. Der livrierte Chauffeur hielt die Scheibe zwischen ihnen geschlossen, es war zu früh, um ihre Nerven mit einem Drink zu beruhigen, und Sylvia hatte so zur Abfahrt gedrängt, dass Chloe vergessen hatte, ein Buch mitzunehmen. Die einzige Gesellschaft während der scheinbar endlosen Fahrt waren ihre Gedanken.
Automatisch wollte sie ihre langen braunen Haare hinters Ohr streichen, als ihr einfiel, welches Wunder Sylvia innerhalb kürzester Zeit an ihr vollbracht hatte – nur mit einer Bürste und etwas Make-up. Erneut griff sie in die Hermès-Handtasche von Sylvia und nahm Sylvias metallene Puderdose heraus, in der sie sich verstohlen anschauen konnte. Noch einmal wollte sie einen Blick auf jene fremde Frau werfen, die ihr aus denselben braunen Augen entgegenblickte wie immer – nur, dass diese jetzt mit Kajal und Lidschatten betont waren und in ihrem blassen Gesicht geradezu glühend wirkten. Auch das lange braune Haar hing ihr nun nicht mehr kraftlos ins Gesicht – Sylvia hatte es innerhalb nur einer Minute so geknetet, toupiert und zurechtgezupft, dass es sich von einem glatten Vorhang in eine wilde Mähne verwandelt hatte. Ihr blasser Mund glänzte jetzt groß und rot in ihrem Gesicht, und der geliehene Schal umschmeichelte elegant ihre Schultern.
Die Frage war nur, wie lange sie diese Illusion aufrechterhalten konnte. Weniger als fünf Minuten hatten Sylvia gereicht, um Chloe von einem unscheinbaren Zaunkönig in einen prachtvollen Pfau zu verwandeln. Chloe hatte sich mehrmals um das gleiche Ergebnis bemüht, es jedoch nie erreicht. “Weniger ist mehr”, predigte Sylvia, aber das Weniger schien jedes Mal noch zu viel.
Doch diese Gedanken waren müßig. Man hatte schließlich eine Dolmetscherin engagiert und kein Model, und wenn sich Chloe mit irgendwas auskannte, dann mit Sprachen. Sie würde ihren Job erledigen und den Rest der Zeit so tun, als gehöre sie in ein Château und nicht in ihr winziges Apartment, das immer ein wenig nach Kohl roch.
Drei oder vier Nächte im Château, dann wäre sie zurück und hätte etwas gut bei Sylvia. Und wenn sie auch nicht Sex & Crime erwarteten, war das Wochenende doch immerhin eine Abwechslung. Und wer weiß, vielleicht wurde einer dieser langweiligen Geschäftsmänner von einem jungen, gut aussehenden Assistenten begleitet, der ein Faible für Amerikanerinnen hatte. Alles war möglich.
Auf Château Mirabel schienen strengere Sicherheitsvorkehrungen zu gelten als in Fort Knox, dachte sie eine halbe Stunde später, als der Wagen reihenweise Tore und Checkpoints passierte, die von bewaffneten Wächtern mit angeleinten Hunden beaufsichtigt wurden. Je tiefer sie auf das Gelände vordrangen, desto beklommener wurde Chloe zumute. Reinzukommen war schwer genug gewesen. Rauszukommen aber schien unmöglich zu sein, wenn man sie nicht gehen lassen wollte.
Doch warum sollte man sie nicht gehen lassen wollen? Der Gedanke war einfach lächerlich. Als die Limousine endlich vor der
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