Tod Live
lächelnden Freundes wie Taschengeld ausnahm. Der Gedanke war zwar angenehm, half mir aber nicht, meine düsteren Vorahnungen zu zerstreuen. Großer Reichtum fällt seinen Besitzern selten leicht.
Seit wir von der Schnellstraße abgebogen waren, hatte unser Gastgeber geschwiegen, als sei sein kluges Geplauder nicht mehr erforderlich, nachdem er sein Ziel erreicht hatte. Ich schaute zu Katherine hinüber. Sie schien wieder eingeschlafen zu sein. Offenbar war sie keine geübte Fußgängerin. Nicht, daß mich das überraschte oder mir Sorgen machte – nachdem heute abend die erste ihrer Sendungen in den Äther gehen sollte, würde uns das liebe Publikum erdrücken, sobald wir am Straßenrand entdeckt wurden. Es war mein Problem – das ich bisher noch nicht gelöst hatte: sie abzuschirmen, ohne es allzu offenkundig werden zu lassen. Deshalb hatte ich auch die Kommune vorgeschlagen: Randgruppen lehnten die Medien mehr oder weniger aus Überzeugung ab. Ich hoffte noch immer, sie mit dem Gedanken an eine nette, friedliche Randgruppenkommune locken zu können.
Wir fuhren die Servicestraße entlang und durch einen überraschend auftauchenden Tunnel in eine Garage unter einem der schönen Häuser. Lichter gingen an. Während unser Gastgeber noch an der automatischen Schaltung herumfummelte, zählte ich sieben weitere große Wagen, mit den Kennzeichen CAR 1-8, wobei Nummer 6 fehlte. Ich hätte geschworen, daß wir in CAR 6 saßen. Plötzlich wußte ich, wer unser lächelnder Freund war, und hielt entsetzt den Atem an.
Wir fuhren rückwärts in eine Parklücke. Er drehte sich zu uns um. »Ich mache mich arm«, sagte er, »indem ich meine Wünsche riesig werden lasse.«
Ein Mann, der seinen Emerson gelesen hatte und ihn zweifellos verachtete. Aber er bot mir einen Ansatzpunkt. »Sie werden das nie schaffen, Mr. Rondavel«, sagte ich. »Nicht auf dieser Seite des TV-Lebens.«
»Bitte.« Sanft protestierend hob er die Hand. »Keine Fachgespräche am Sonntag. Ich arbeite ohnehin schon eine Fünftagewoche. In diesem Haus erwähnt niemand das Fernsehen, wenn er nicht sofort exkommuniziert werden will.«
Er lächelte, ließ uns diesmal alle zweiunddreißig Zähne sehen. »Sie haben natürlich die Wagen bemerkt. Ich hätte das Interview nie geben dürfen. Eitelkeit, Eitelkeit, alles ist Eitelkeit…«
Ein literarischer Typ. Ich ließ ihn bei der Überzeugung, es sei das Interview. Dabei kannten die meisten Leute bei der NTV die kleinen Schwächen des Vorsitzenden. Seine acht Wagen und seine acht Miezen, die alle Margaret hießen. Wir waren uns natürlich nie begegnet. Wenn er von mir wußte, dann bestimmt nur als Zahl auf seinen Bilanzbögen. Und er war auch nicht der Typ, der in jedem Büro sein Bild aufhängen ließ. Trotzdem mußte ich eine Möglichkeit suchen, mich ihm vorzustellen, ehe der Besuch aus den Fugen geriet. Es gab Dinge, die man über seinen obersten Dienstherrn lieber nicht wußte.
In diesem Augenblick erwachte Katherine. »Wir sind da«, verkündete sie, schob ihre Motorradbrille hoch und rieb sich die Augen. Rondavel hatte sich abgewandt, stieg aus dem Wagen und ging fort. Offenbar gehörte Katherine nicht mehr zu den Frauen, für die elegante Männer Türen aufmachten. Statt dessen zog ich die Wagentür auf und half ihr hinaus.
Wir stolperten ihm nach, steif von dem langen Marsch und der plötzlichen, kurzen Erholung – zu einem mit Nußbaumholz und Facettenglas ausgekleideten Fahrstuhl, nachgemachte dreißiger Jahre. Er wartete, bis ich meinen Rucksack und Katherines Schlafsack hineingeworfen hatte. »Sie dürfen sich nichts daraus machen, wenn Ihnen die Szene oben etwas fortgeschritten vorkommt. Es ist eben Sonntag nachmittag. Die Leute werden sich später erstaunlich erholen.«
Und gerade davor hatte ich Angst, jetzt mehr denn je. Verzweifelt versuchte ich mir zu überlegen, wie ich an ihn allein herankommen konnte. Er drückte den Knopf der zweiten Etage und wandte sich an Katherine. »Eine verspätete Vorstellung… Sie, meine Liebe, heißen wohl Katherine. Und Sie müssen mich Coryton nennen.«
Er streckte die Hand aus, die sie ergriff. Coryton Ansford Rondavel… Ich fragte mich, ob man schon einen solchen Namen haben konnte, ehe man Millionär wurde, oder ob einem so etwas hinterher zuflog. Vielleicht war die Taufe auf den Namen Coryton Ansford schon eine Möglichkeit, seinen Sohn auf den Weg zum Millionär zu führen. Wenn das so war, hatte ich bei Roddie II kläglich versagt.
»Und Sie, John,
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