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Tod sei Dank: Roman (German Edition)

Tod sei Dank: Roman (German Edition)

Titel: Tod sei Dank: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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diesem Brutalo kindlich, schwach und klein wirkte? Vermutlich nicht. Aber es ärgerte Will über die Maßen, dass Heath Jones noch im Gefängnishemd das Heft in der Hand hielt.
    »Und?«
    »Es geht um die beiden Mädchen, Cynthias Töchter.« (Wie lange war es her, dass er Cynthias Namen laut ausgesprochen hatte? Der Klang pulsierte in seinen Adern.)
    »Wie gesagt: Und? «
    »Und deshalb will ich meine Frau finden.«
    »Deine Frau!« Heath hielt inne, um ein dramatisches Ganovenlachen vom Stapel zu lassen, ehe er kichernd weitersprach. »Dauert es immer noch Stunden, ehe dir einer abgeht? Sie hat das gehasst.«
    »Wo ist sie?« Wills Hände hatten sich voneinander gelöst und zitterten jetzt sichtbar. Sein Gesicht war knallrot angelaufen. Er wusste, dass sein Gesicht knallrot angelaufen war. Mitten aus der Röte ertönte Cynthias Stimme und sagte: »Gehst du bitte von mir runter? Merkst du nicht, dass ich fertig bin?«
    »Was ist los mit dir?« Heath war näher an ihn herangerückt. Sein Atem roch nach Eiter.
    Will bot ihm hundert Pfund an.
    »Nö, Kumpel, danke«, sagte Heath und machte es sich in seinem Stuhl bequem. »Einem alten Freund tu ich gern mal einen Gefallen.«
    Will zögerte. Heaths Dauergrinsen hatte ihn aus der Fassung gebracht. »Tja, dann also danke«, brachte er nach einer langen Pause heraus.
    »Kein Problem.« Heath beugte sich vor, kritzelte etwas auf Wills Notizblock und stand auf.
    O nein, dachte Will, er will mir die Hand schütteln. Kann ich mich irgendwie davor drücken?
    Konnte er nicht. Will versuchte äußerst angestrengt, keine Regung zu zeigen, während Heath ihre Abmachung besiegelte. Vergeblich. Der Händedruck tat weh, sehr weh, und Wills Augen verengten sich zu schmerzverzerrten, schmalen Schlitzen, ehe sie sich mit Tränenflüssigkeit füllten.
    Heath stand auf und ging. Er war schon fast zur Tür heraus, als er sich noch einmal umdrehte und sagte: »Gib mir Bescheid, wenn du sie gefunden hast, ja?«
    Nachdem Heath im Gefängnisinnern verschwunden war, holte Will tief Luft. Ihm kam es vor, als ob er mehrere Minuten lang überhaupt nicht geatmet hätte.
    Als Will eine halbe Stunde später Strangeways verließ, hatte er zweierlei erreicht:
    Er hatte Cynthias letzte Adresse in Erfahrung gebracht: Bis vor einem Jahr hatte sie in London in einer Wohnung in Finsbury Park gelebt.
    Und er schuldete Heath Jones einen Gefallen.
    Bis Will die Straße gefunden hatte, war es dunkel geworden. Er musste zweihundert Meter von dem Haus entfernt parken. Cynthias letzte Anschrift befand sich in einem großen viktorianischen Reihenhaus in der Nähe der U-Bahn-Station. Will klopfte dreimal an und wartete.
    Früher einmal hatte sich in der Tür eine rechteckige Glasscheibe befunden; jetzt war die Öffnung mit einer rohen Sperrholzplatte vernagelt. Der Fußabtreter war zerfranst und schmutzig. Will starrte ihn an und versuchte, ruhig zu bleiben. Bekäme er sie jetzt gleich zu Gesicht? Würde sie die gleiche Faszination auf ihn ausüben wie damals? Wie würde er sich dabei fühlen? Aus heiterem Himmel tauchte ein Stück Papier auf dem Fußabtreter auf: Jemand da drinnen hatte eine Nachricht unter der Tür hindurch geschoben. Will hob sie auf.
    Steck das Geld durchs Erkerfenster , stand auf dem Zettel.
    Wie bitte? Will las die Nachricht ein zweites Mal, genauso verdutzt. Nichts geschah. Er ging in den Vorgarten (der in Wahrheit ein meterlanger Zementstreifen war) und sah, dass eines der Erkerfenster ungefähr fünf Zentimeter weit offen stand.
    »Ich habe kein Geld«, sagte er durch den Spalt. Die verbogenen Metalljalousien versperrten ihm den Blick ins Innere.
    »Dann verpiss dich«, sagte eine Frauenstimme. »Keine Kohle, kein Stoff.«
    »Ich will keinen Stoff. Mein Name ist Will Marion. Cynthia, bist du das?«
    Die Pause, die nun folgte, schien endlos zu dauern. War sie es? Richtete sie gerade ihr Haar für ihn? Oder sprang sie durch ein Hinterfenster, rannte die Gasse hinter dem Haus entlang und rief nach einem Taxi?
    Er ging zur Eingangstür zurück und wartete dort. O Gott, o Gott, die Tür wurde geöffnet.
    »Du kennst Cynthia?« Die Frau, die vor ihm stand, war vielleicht dreiundzwanzig Jahre alt und wog höchstens fünfundvierzig Kilo. Sie hatte Einstiche an den Armen, und ihre Augen waren zwei leere Tümpel.
    »Ich bin ihr Ex. Kann ich sie sehen?«
    »Weiß nich.«
    »Ist sie da?«
    »Kann sein.«
    Ihm dämmerte, dass sie Geld sehen wollte.
    »Geh sie holen«, sagte er und drückte ihr einen

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