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Tod sei Dank: Roman (German Edition)

Tod sei Dank: Roman (German Edition)

Titel: Tod sei Dank: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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Alfred schienen prima miteinander auszukommen.
    »Wie alt bist du?«, fragte er mich, und ich antwortete: »Siebzehn.«
    »Ich bin sechzehn«, sagte er. Ich wünschte, ich hätte nicht gelogen.
    »Findest du mich gelb?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte er. »Du mich?«
    »Nein.« Ich log schon wieder.
    Als wir beide entgiftet waren, fragte ich Brian, ob er Lust habe, einen trinken zu gehen. Seit meinen Eddie-Bemühungen wusste ich, dass ich mich nüchtern nicht verlieben konnte.
    »Warum kommst du nicht mit zu mir?«, fragte er. »Meine Alten sind weg, und ich habe ein bisschen Gras da.«
    Sah ganz danach aus, als ob wir ein Traumpaar wären.
    »Hast du Angst?«, fragte er, als er mit gekreuzten Beinen auf dem Boden seines Jugendzimmers saß.
    »Ich habe beschlossen, mir darüber keine Gedanken mehr zu machen.«
    »Wie soll das denn gehen?« Er nahm einen grauen Aktenordner von seinem säuberlich aufgeräumten Schreibtisch und öffnete ihn. Fünfhundert Seiten liniertes A4-Papier waren darin abgeheftet. Am Anfang jeder Zeile stand ein Datum; das erste lag drei Jahre zurück. Jeden einzelnen Tag hatte der armselige Typ mit einem Kreuzchen neben dem Datum markiert.
    »Jedes Mal, wenn die Liste länger wird, addiere ich die Tage. Meinem jetzigen Stand nach muss ich noch 1350 Tage auf eine Niere warten. Das sind 771 Mal Dialyse.«
    Er hatte in jeder Woche vier Tage mit Textmarker angestrichen: seine Termine beim Dialysezentrum.
    »Du meine Güte. Macht dich das nicht völlig verrückt?«
    »Wie ist es bei dir?«
    »Ich denke über wichtigere Sachen nach«, sagte ich.
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel über das Verliebtsein.«
    Er beugte sich zu mir vor, als wollte er sagen: Ich bin der Einzige, in den du dich verlieben wirst. Ich bin dazu da, diese Rolle auszufüllen. Mit mir musst du niemals Angst haben.
    Aber Brian fiel in Ohnmacht, ehe er mich erreichte. Wir hätten beide wissen müssen, dass man nach der Dialyse in sein eigenes Bett gehört. Diese Grundregel hatte ich jetzt schon zum zweiten Mal hintereinander gebrochen.
    Wenn Brian sich während seiner Bewusstlosigkeit nicht eingepinkelt hätte, wären wir vielleicht Freunde geblieben. Unglücklicher Weise ruinierte er damit einige seiner A4-Seiten. Bestimmt würde er schnellstmöglich neue schreiben, der Trottel.
    Obwohl jegliche Erfolge ausblieben, fühlte es sich für mich immer noch besser an, wenn ich mich auf die Liebe statt auf meine unerfreulichen Lebensumstände konzentrierte. Ich hatte die Schule abgebrochen, konnte also keinerlei Qualifikationen vorweisen. Außerdem war ich wirklich gelb. Der nächste Typ, in den ich mich zu verlieben versuchte, sagte mir das auch auf den Kopf zu, als ich ihn fragte.
    »Du bist gelb«, sagte Reece. »Aber ich mag gelbe Mädels.«
    Reece war Krankenpfleger, um die zwanzig, ein bisschen moppelig (sechs Kilo zu viel) und witzig. Seit Brian auf seine hausgemachte Warteliste gepinkelt hatte, hatte Reece sechsmal in Folge Dienst gehabt.
    »Ist es erlaubt, dass du dich in Patientinnen verliebst?«, fragte ich Reece bei einer meiner Sitzungen (Brian hatte mitgehört, aber weggeguckt. Seit dem Zwischenfall mit der vollgepinkelten Hose vor zwei Wochen hatte er mich nicht mehr angesehen). Reece hatte mir dreimal hintereinander DVDs mitgebracht, von denen jede ein bisschen mehr auf ein Date hinzuweisen schien. Es war klar, dass er was von mir wollte.
    »Auf keinen Fall«, sagte er.
    Pause.
    Sich annähern.
    Tuscheln.
    »Aber ich mag unerlaubte Mädchen.«
    Ich traf mich mit Reece in einem Pub namens The Bothy. Auf der Minibühne spielte eine miese Band. Grunge-Typen standen herum und wiegten sich zu den Alternativrockklängen hin und her (nicht allzu sehr).
    Es ist vermutlich keine allzu gute Idee, harte Drogen zu nehmen, wenn man gerade von der Dialyse kommt. Die gleiche Liga wie Bananen. Aber egal, ich war ja mit einem Krankenpfleger hier – und der meinte, das ginge schon in Ordnung. Also schnupfte ich auf der Toilette etwas von seinem Pulver durch einen entsprechend gestutzten Strohhalm.
    Manchmal fängt man einfach zu tanzen an. Manchmal nicht. Als ich auf die Tanzfläche zurückkam, schienen meine Arme absurd lang geworden zu sein. Wie sehr ich auch versuchte, mich in die Musik einzufinden, fühlte ich doch nichts anderes als sie, die meine Schultern nach unten zerrten. Als wären sie Seile mit Backsteinen dran.
    Erschwerend kam hinzu, dass ein Typ mit Sonnenbrille am Tresen stand und mich anstarrte. Er war viel hübscher als

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