Tod sei Dank: Roman (German Edition)
werde ich später mal Physiotherapeutin. Ich habe gern mit Menschen zu tun und bin gut in Biologie.
Ich habe aufgehört, über sie nachzugrübeln. Es kostet mich zu viel Kraft.
Graham hat die Hoffnung auf mich wohl aufgegeben. Ich glaube, ihm gefällt Evie. Wenn ich daran denke, dass die beiden vielleicht ein Paar werden, bin ich wirklich traurig. Vielleicht hätte ich mich nicht so zieren sollen. Könnte nämlich sein, dass ich in ihn verliebt bin.
Die Mutter von Bethanay und Archie, die um die Ecke wohnen, steht auf meinen Vater. Das ist so was von offensichtlich. Sie ist ein bisschen durchgeknallt (schreit dauernd ihre Kinder an und so), aber irgendwie wünschte ich, er würde sich einfach drauf einlassen. Er braucht jemanden.
Im Alter von sechzehn Jahren
Lieber Monty,
um ehrlich zu sein, fühle ich mich gerade ziemlich schlecht. Aber ein Mädchen aus der anderen Dialysestation hat gestern den Anruf erhalten. Sie hat fünf Jahre lang auf eine Spenderniere gewartet, und jetzt hat es geklappt. So schlimm kann es also nicht sein, oder? Alles kommt in Ordnung.
Bitte mach, dass alles in Ordnung kommt.
Will lächelte beim Schreiben. Sie war ein Schatz, sein Mädchen. Ein unkompliziertes, liebes Schätzchen. Und Georgie? Was für eine tolle Schwester sie gewesen war! Warum hatte er das nicht bemerkt? Sie hatte immer auf Kay aufgepasst, war immer für sie da gewesen – die ganze Nacht lang hatte sie ihre Hand gehalten!
Kay liebt mich, dachte Will. Und Georgie ist eine wunderbare, liebe Schwester. Er konnte sich glücklich schätzen, dass er zwei so wundervolle Menschen kannte.
Er strich mit der Hand über Georgies Tagebuch. Was er darin wohl finden würde? Ein wenig ängstlich war er schon. Seine Hand zitterte, als er das Tagebuch aufschlug. Es öffnete sich ungefähr in der Mitte, auf der ersten einer Reihe von Seiten, an die Georgie zusätzliche Seiten getackert hatte. Die erste dieser getackerten Seiten faltete er auf und las:
Zwölf Jahre alt
Liebe Mum,
ich habe dich lieb. Ich hoffe, dass das, was ich tun will, Dich nicht verletzt, weil es nicht Deine Schuld ist, dass ich das alles nicht mehr aushalte. Ich bin nicht mehr am Leben interessiert. Es wird wahrscheinlich nicht wehtun. Ich werde einfach einschlafen. Während es passiert, werde ich an Dich denken.
G
Will holte tief Luft und blätterte rasch vor. Im letzten Drittel des Tagebuchs war ein weiteres Stück Papier an eine Seite geheftet.
Dreizehn Jahre alt
Lieber Papa und liebe Kay,
lebt wohl. Bitte gebt Euch keine Schuld. Es liegt an mir. Ich hab einfach keinen Bock mehr aufs Leben.
G
Und noch eins, gegen Ende …
Fünfzehn Jahre alt
Papa,
ich werde mich umbringen. Du wärst überrascht, wie leicht es ist, an eine Knarre zu kommen. Manchmal hast Du so lange auf mich eingeredet, dass ich am liebsten auf Dich geschossen hätte. Ich will, dass Du leidest. Du hast es verdient.
G
Will knallte das Tagebuch zu. Ehe er sich eines Besseren besinnen konnte, hatte er bereits zu schreiben begonnen:
Er war noch nie so wütend gewesen. Oder so besoffen. Er schleuderte den Stift gegen das Fenster. Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Er stand knurrend auf und hieb auf die Tür seines Büros ein, wieder und wieder, bis in dieser Tür ein ebenso großes Loch klaffte wie in der Küchentür. Seine Hand war mit Blut beschmiert.
»Wie ich höre, hast du dich beruhigt«, rief Georgie aus der Diele.
Himmel, Himmel, Himmel. Will rannte zu seinem Schreibtisch, griff nach dem Notizblock, rupfte die Seite mit der Tabelle heraus, riss sie entzwei und zerknüllte sie zu einem kleinen Ball, den er in die oberste Schublade des Schreibtisches schleuderte. »Georgie?«, rief er. »Es tut mir leid! Georgie! Wo bist du, Kleines? Es tut mir sooo leid. Wo bist du?« Er ging in die Diele, sah in der Küche nach, stieg die Treppe hoch und betrat ihr Zimmer. Sie saß auf dem Bett.
»Verzeih mir bitte!«, sagte Will. »Ich hätte dich nicht ohrfeigen dürfen.«
»Mich tätlich angreifen, meinst du. Ich könnte die Polizei rufen, weißt du das? Ich könnte den Kindernotruf wählen.«
»Ich hätte dich nicht tätlich angreifen sollen. Geht es dir gut? Wo bist du gewesen?«
»Hier und da.«
»Du bist betrunken«, sagte Will.
»Du auch«, erwiderte sie. »Du solltest dich um deine Hand kümmern. Komm mit ins Bad.« Sie führte ihren Vater ins Badezimmer und holte Wundspray und Pflaster aus der Hausapotheke. Eine Zeit lang schwiegen sie. Will saß auf dem Badewannenrand, und Georgie
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