Tod sei Dank: Roman (German Edition)
beugte sich über ihn. Sie wusch, desinfizierte und verpflasterte seine Wunde.
»Ich mache es wieder gut«, sagte Will danach. »Ich mache alles wieder gut. Du bist ein tolles Mädchen.«
»Ach ja?«, sagte sie und setzte sich neben ihn auf den Wannenrand.
»Ja, klar.« Will strich Georgie über die Wange. Er hatte keine Ahnung, ob sie sich, wie sonst auch, ruckartig von ihm abwenden und ihn mit einem Verpiss dich, Papa verscheuchen würde. Diesmal tat sie es nicht. Sie wandte ihm das Gesicht zu und lächelte ihn traurig an. Er lächelte zurück, aber ihrer beider Lächeln währte nicht lange. Eine Sekunde später weinten sie.
»Bitte lass mich nicht sterben!«, schluchzte sie und schlang ihre Arme um ihn. »Papa! Papi! Bitte lass uns nicht sterben.«
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Kapitel einunddreißig
Die Rückseite von Heaths Zellenblock grenzte an die dicke rote Backsteinmauer, die das gesamte Gefängnis umschloss. Auf der anderen Seite der Mauer lag eine unscheinbare Straße. Oft warfen Leute etwas über die Mauer in den Innenhof, hoffend, dass ihre Lieben zur rechten Zeit am rechten Ort stünden, um ihre Gaben zu empfangen (normalerweise waren es Drogen, die auf vielerlei Arten versteckt wurden, etwa in toten Mäusen).
Cynthia hoffte, dass Heath noch in derselben Zelle wie vor einem Jahr untergebracht war. Sie wusste genau, wo sie stehen musste, damit er ihre liebliche Stimme durch die Gitterstäbe hören konnte. Die Lichter im Gefängnis waren bereits gelöscht. Sie würde ihn aufwecken, aber das wäre ihm egal.
»Heath Jones! Ich liebe dich!«, schrie sie, auf der stillen Straße vor dem Gefängnis stehend.
»Heath Jones! Scheiße, wie ich dich liebe!«, schrie sie noch einmal. »Du bist die Liebe meines Lebens! Ich heiße Cynthia und ich liebe Heath Jones. Ich liebe dich, Heath!«
Heath war sofort wach. Er sprang aus dem Bett und stellte sich auf die Zehenspitzen. Sein Mund berührte das Gitter, und der Speichel spritzte ihm aus dem Mund, als er schrie: »Cynthia Marion, ich liebe dich. Cynthia! Geh nicht weg! Warte auf mich! Ich liebe dich, Cynthia! Sing etwas für mich!«
»Halt die Fresse«, sagte sein Zellengenosse von der oberen Pritsche aus. Er war zum ersten Mal im Knast, und wenn er einigermaßen bei Verstand gewesen wäre, hätte er sich einen solchen Kommentar zweimal überlegt. Heath ging zur Pritsche hinüber, zerrte den Neuling aus dem Bett, schleuderte ihn zu Boden und trat zu, bis der Typ bewusstlos war.
Cynthia blieb. Unbeirrt von den Beschwerden der Wächter und Insassen sang sie eine halbe Stunde lang Songs, die sie gemeinsam mit Heath geschrieben hatte. Dann hatte sie keine Lust mehr, Menschen zu beglücken, die ihre Kunst nicht zu würdigen wussten (Du jaulst wie ’ne rollige Katze, Alte!) . Wie ein Teenager, der für eine Konzertkarte ansteht, breitete sie ihren Mantel in einem Hauseingang aus und kampierte vor dem Gefängnis. Am nächsten Morgen ging sie hinein, um einen Besuch anzumelden.
Eine halbe Stunde später saßen sie sich im Besucherraum gegenüber. Wenn man die beiden ansah, hätte man kaum ahnen können, dass sie sich über alles liebten. Abgesehen davon, dass sie Händchen hielten, wirkten sie wie Bruder und Schwester.
»Wo bist du gewesen?«, fragte er.
»Überall.« Sie zögerte. »Ich habe meine Töchter getroffen.«
»Er war hier«, sagte Heath. »Ich weiß Bescheid. Konntest du ihnen helfen?«
»Nein.« Sie rieb sich die Handfläche mit den Fingern. »Ich will hier nicht darüber reden. Bist du clean?«
»Ja. Und du?«
Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid.«
»Ist in Ordnung, Baby, ist in Ordnung. Wir müssen nicht jeden Scheiß machen, den andere Leute uns aufdrücken wollen. Dafür ist das Leben zu kurz.«
»Du musst hier raus.«
»Das werde ich. Im letzten Jahr bin ich ein braver Junge gewesen. Und diesmal werde ich einen richtig guten Antrag schreiben. Ich weiß jetzt, wie das geht. In ein paar Wochen bin ich draußen. Aber ich muss denen eine feste Adresse nennen. Wo wirst du wohnen?«
»Ich such mir was in Glasgow. Kannst du dich bis dahin verlegen lassen?«
»Ich klemme mich dahinter. Gib gleich Bescheid, wenn du weißt, wo wir wohnen.«
»Wir werden zusammen wohnen!«, sagte sie. »Dem Himmel sei Dank. Ich komme ohne dich nicht klar. Keiner versteht mich so wie du.«
»Keiner außer mir liebt dich so wie ich«, sagte er. »Nicht in der Vergangenheit, nicht in der Zukunft. Wenn ich draußen bin, Cynthia, willst du mich dann heiraten?«
Diese Frage
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