Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod sei Dank: Roman (German Edition)

Tod sei Dank: Roman (German Edition)

Titel: Tod sei Dank: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
Vom Netzwerk:
Hören Sie mir zu! Wenn Georgie im Bett liegt und schläft, dann fasst sie sich etwa so ins Haar.« Will zog seinen Pony mit der rechten Hand nach hinten. Mit zu viel Kraft. Wenn er noch etwas hätte spüren können, dann hätte es ziemlich wehgetan. »Ich mache dasselbe!«
    »Ich schenke Ihnen einen Whisky ein.« Mr Jamieson nahm eine Flasche aus dem unteren Fach seines Schreibtisches und goss Will einen kräftigen Schluck ein. Will nahm das Glas, ohne zu trinken.
    »Beide mögen Horrorfilme. Ich mag auch Horrorfilme.«
    »Trinken Sie einen Schluck, Will.«
    Wie ferngesteuert nahm er einen Schluck. Er wollte, dass der Arzt seine Aussage zurücknähme, dass er diesen dummen Satz, den er vorhin gesagt hatte, einfach aus der Luft zurückholte und verschluckte.
    »Es tut mir sehr leid. Ich wünschte nur, mir wäre das eher aufgefallen.«
    Will stellte das Glas auf den Schreibtisch, direkt neben Mr Jamiesons Hinterteil, das dort immer noch ruhte. Eine Zeit lang saß er schweigend da und starrte vor sich hin. Dann sagte er: »Ich gehe jetzt.« Seine Beine zitterten, als er aufstand, sich den Gang entlangschleppte und die Treppe hinab zum Parkhaus ging.
    Mehr als eine Stunde lang blieb er im Auto sitzen und starrte auf einen Betonpfeiler. Bilder blitzten auf dem Zement auf:
    Das erste Mal, als er sie gleichzeitig im Arm gehalten hatte. Seine Nase hatte gejuckt, und er hatte nichts dagegen tun können.
    Die Szene damals, als sie drei Jahre alt gewesen waren und am Fenster stehend darauf gewartet hatten, dass ihre Mama vom Einkaufen zurückkäme.
    Kays erstes Konzert. Sie hatte ein Flötensolo gespielt. Will hatte geweint, und Georgie hatte sich Sorgen gemacht: »Bist du traurig, weil sie es nicht gut macht, Papa?«
    Georgie, die sich einen ihrer gemeinsamen Filmabende vor dem Fernseher wünschte, bei denen alle auf dem Sofa saßen, lachten und sich aneinanderkuschelten.
    All die Jahre waren sie zu dritt gewesen: ein Team. Manchmal eine Scheißteam. Aber meistens ein gutes Team.
    Und sie sahen wirklich so aus wie er. Die gleiche Haarfarbe, die gleiche Nase. Kay hatte dasselbe Lachen. Georgie nahm die gleiche Schlafhaltung ein und plante genauso schlecht wie er. Konnte es sein, dass sie diese Eigenschaften nur deshalb angenommen hatten, weil sie immer in seiner Nähe gewesen waren? Erziehung statt Erbe?
    All diese Jahren, und plötzlich war er ein Hochstapler.
    All diese Jahre, und er hatte die Kinder eines anderen Mannes großgezogen. Aller Wahrscheinlichkeit nach die Kinder von Heath Jones.
    Wenn sie nicht von ihm waren, von wem waren sie dann? Was war er, wenn er nicht ihr Papa war?
    »Wenn ich nicht ihr Papa bin«, schluchzte er, »was zum Teufel bin ich dann?«
    Jemand klopfte ans Fenster. Will wischte sich über die Augen und sah hoch.
    »Ist mit Ihnen alles in Ordnung?« Es war dieser dickliche Krankenpfleger.
    Will kurbelte das Fenster herunter. »Alles in Ordnung.«
    »Bestimmt?«
    »Aber sicher.«
    »Na gut. Immer mit der Ruhe, ja?«, sagte der Krankenpfleger.
    Will schloss das Fenster, während der Pfleger auf den Fahrstuhl zusteuerte. Er holte sein Handy aus der Tasche. »Georgie?«
    »Hi, Dad. Wie ist es gelaufen?«
    »Ach, gut. Nichts Besonderes bislang. Ich frage mich gerade, ob Cynthia ihre Adresse dagelassen hat, als sie neulich vorbeigekommen ist.«
    »Ähm, eigentlich nicht. Sie sagte, sie würde in einem Hostel in Govanhill wohnen, aber ich nehme an, sie hat inzwischen eine eigene Wohnung. Warum? Ist alles in Ordnung? Gibt es wirklich nichts Neues?«
    »Nichts. Alles läuft prima, Schätzchen. Wir sehen uns nachher.«
    »Pa…«
    Er ließ ihr nicht die Zeit, weiter nachzuforschen.
    Es gab nur ein einziges Hostel für obdachlose Frauen in Govanhill. Dreißig Minuten später parkte Will vor dem Gebäude.
    »Ich suche Cynthia Marion«, sagte er zu dem Mann mittleren Alters, der am Empfang saß.
    »Ist nicht mehr da. Hat jetzt ’ne Wohnung.« Dieser unhöfliche Scheißkerl machte sich nicht mal die Mühe, Will anzuschauen.
    »Wissen Sie wo?«
    »Das geht Sie nichts an.«
    Will packte den Spaßvogel am Kragen, nahm ihn sich zur Brust und sagte: »Ich will wissen, wo Sie ist, du fettes Arschloch.«
    Wie sich herausstellte, lag die Wohnung gleich um die Ecke. Da es kein Sicherheitsschloss am Haupteingang gab, betrat Will ungehindert das mit Graffiti beschmierte und mit stinkendem Abfall zugemüllte Treppenhaus. Die einzige Wohnung ohne Namen an der Tür lag im ersten Stock. Er klopfte und lauschte. Erst war

Weitere Kostenlose Bücher