Tod to go (Crime Shorties)
Junge hat gelitten. Wenn der erfährt, dass er die ganzen Jahre mit seiner Mutter unter einem Dach ..., nein, der Fleck muss weg. Da gibt's kein Vertun.
3
Auch mein letzter Zettel ist verschwunden. Ich komme zwar gerade nicht auf den Namen, aber diese slowenische Pflegerin ... ich muss sie im Auge behalten. Auch jetzt, wo ich das hier schreibe, lächelt sie ganz verschlagen zu mir rüber.
Sie hat mir wieder diesen widerlichen Plastikball hingelegt. Ekelhaft. Sie behandelt mich wie ein kleines Kind, dabei hab ich die Raketen fliegen lassen. Die V 4. 1943 ... ja, genau 1943 war der erste Versuch. Da sage noch einer, mein Gedächtnis taugt nichts. Drüben in Peenemünde war das. Ein paar Minuten von hier. Ja, die Wunderwaffe ... zwei Wochen ... wir waren nur zwei Wochen im Rückstand. Die Welt würde heute anders aussehen. Die Raketen hätten sie kleingekriegt. Die Alliierten hätten sich umgesehen.
Der Führer hat mir persönlich die Hand gedrückt. Keine Frage, wir hätten den Krieg gewonnen. Aber es war Spionage. Ganz sicher. Auch die Pflegerin benimmt sich verdächtig. Ich habe einen Riecher für so was.
Heute Morgen war Claus da. Er hat mich gefragt, was der Zettel an der Decke soll. Ich guck hoch und da hängt ein Zettel und darauf steht »Mauer«. Es ist meine Handschrift, aber ich kann mich einfach nicht erinnern. Hier passieren merkwürdige Dinge.
Hat die Pflegerin ihn da oben befestigt? Um mich zu ärgern? Oder um mich zu verunsichern? Sie denkt, dass ich denke, meine Güte, das ist ein wichtiger Zettel, sonst hättest du ihn nicht da oben befestigt, und dass ich mir dann Gedanken mache ... dabei hat sie ihn da oben ... auszuschließen ist das jedenfalls nicht.
Ich muss das alles wieder unter Kontrolle bekommen. Manchmal geht das ganz gut. Heute hat sich die Pflegerin mit mir die alten Fotoalben angesehen. Ich konnte mich an alles erinnern. Nur an die Frau nicht und da sagt die Slowenin: »Aber das ist doch ihre Frau!«
Muss ich ihr wohl glauben. Aber eigentlich hab ich doch einen ganz anderen Geschmack.
4
Ja, im Alter ist es schon schön, wenn man jemanden an seiner Seite hat. Marga, du fehlst mir. Gerade jetzt.
Mir sind heute die Urlaube eingefallen. Damals in Bad Ischl und in Berchtesgaden. Ganz in der Nähe des Führers. Später dann am Schwarzen Meer. Rumänien.
Ich kann mich genau erinnern, wie du aus dem Restaurant davongelaufen bist, als plötzlich der Fischkopf auf deinem Löffel lag und wie der dich angeglotzt hat. Ja, und wie mir dann beim Schwarztausch diese Schweine ein paar Tempotaschentücher in einen Geldschein gewickelt in die Hand gedrückt haben und mein gutes Geld war weg.
Du weißt, die D-Mark, die dir deine Schwester aus Hamburg geschickt hatte. Und wie wir die Hosen an die Zigeuner verkauft haben. Und wie der Genosse Honecker in seinem Wagen auf der Straße vorbeigefahren wurde. Wäre man dem nicht in den Rücken gefallen ... ich kann mich sogar an das Meer erinnern. An die alten Frauen, die morgens den Dreck weggesammelt haben. Constanza. Genau, der nächste Ort hieß Constanza. Das Training hilft. Es geht aufwärts mit meinem Kopf. Ganz ohne Zweifel.
Preußisches Pflichtgefühl, preußische Disziplin und ein bisschen Schmackes und dann wuppen wir das schon. Doch wo ist eigentlich meine Frau? Und was macht diese Fremde mit dem seltsamen Dialekt in meiner Wohnung?
5
Das mit der Mauer muss etwas Wichtiges sein. Warum klebt der Zettel sonst an der Decke? Kein normaler Mensch klebt etwas an die Decke! Jedenfalls nicht ohne Grund.
Diese Pflegerin frag ich nicht mehr. Ich glaub, sie lacht hinter meinem Rücken. Weil ich so viel vergesse. Ich kann ihr nicht trauen. Aber irgendetwas muss es mit der Mauer auf sich haben.
Ich habe heute Morgen die ganze Wohnung abgesucht. Alle Mauern hab ich inspiziert. Alles ist normal. Gut, es müsste mal gestrichen werden. Vielleicht sollte ich Claus bitten. Ich kann jedenfalls nichts Merkwürdiges an der Mauer entdecken. Vielleicht ist ja auch die Berliner Mauer gemeint? Die ist mir heute plötzlich eingefallen. Gibt es die eigentlich noch?
6
Diese Frau hat mir einen Zettel hingelegt und einen Stift. Ich soll Tagebuch schreiben. Wieso soll ich Tagebuch schreiben? Sie sagt, ich hätte in den letzten Tagen immer Tagebuch geschrieben. Ich glaube ihr das nicht. Sie will mir nur nachspionieren. Ich habe sie gefragt, worüber ich schreiben soll. Sie hat gesagt: »Über meine Frau.« Bin ich
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